PUBLIKATION

Zuger Zeitung / Luzerner Zeitung

ZUSAMMENARBEIT

Martin Bissig (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

7.11.2025

ZUG IST SCHMUCK – SEIT DEM 16. JAHRHUNDERT

 

Dank der Aufträge der Katholi­schen Kirche hat sich in Zug schon früh das Goldschmiedehandwerk etabliert. Die Tradition geht auf das 16. Jahrhundert zurück und geniesst bis heute einen hervorragenden Ruf.

 

Es liegt auf der Hand, welche Bijouterie die Touristengruppen im Visier ha­ben, die zwischen Kolin- und Postplatz un­terwegs sind: das Traditionshaus Lohri, wel­ches exquisiten Schmuck und ebensolche Uhren an der Neugasse 27 feilbietet. Wahr­lich eine feine Adresse, doch weit mehr als nur ein Verkaufsgeschäft für die anspruchs­volle und zahlungskräftige Kundschaft. Beim historischen Haus mit der zauberhaf­ten Fassade in Empirestil handelt es sich nachweislich um das älteste Goldschmiede­haus der Welt. Seit 1620 sind hier Gold- und Silberschmiede am Werk.

 

Edelsteine wie Granat, Smaragd, Tur­malin, Aquamarin, Amethyst, Morganit, Pe­ridot, Citrin werden im hauseigenen Atelier auch heute noch vom Entwurf bis zur Reali­sation zu kunstvollen und mitunter farbin­tensiven Unikaten und Kollektionen verar­beitet, die dereinst an Händen, Hälsen, Handgelenken oder Ohrläppchen funkeln: Beim Maison Lohri – wie sich die Firma vor­nehm nennt – handelt es sich um ein 1970 gegründetes Familienunternehmen, das heute in zweiter Generation geführt wird. Die hochkarätige Tradition wird in bauhisto­risch wertvollem Gemäuer und Gewölbe ze­lebriert. Dieses wurde um 1500 realisiert – je­ner Epoche, als an der Neugasse die ersten Bauten entstanden.

 

Doch nicht nur an Zugs Hauptverkehrsachse wird hochwertiger Schmuck produziert. Pa­rallel dazu – an der ruhigen Zeughausgasse 13 – befindet sich das Atelier von Anna Andrén Holmberg. Die gebürtige Schwedin hat ur­sprünglich Wirtschaft studiert und lange bei internationalen Firmen gearbeitet. Erst als sie mit ihrer Familie nach Zug zog, hat sie die Ausbildung zur Goldschmiedin absolviert und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Ihre Schmuckstücke sind von schlichter Ele­ganz und lassen die skandinavische Handschrift erkennen: ein minimalistischer Stil, der klare Linien und einfache Formen verwendet, um eine redu­zierte, funktionale Ästhetik zu schaffen. Für ihren Schmuck verwendet Andrén konse­quent recyceltes Gold, Silber und Platin. Auch Diamanten und weitere Schmuckstei­ne, mit denen sie arbeitet, stammen aus be­reits existierenden Schmuckstücken oder Uhren. Das Wiederverwerten von hochwerti­gem Material macht für die Ökonomin auch ökologisch Sinn.

 

Ebenso gern kümmert sich die Desig­nerin darum auch um Kundinnen und Kunden, die bei ihr im Atelier ein eigenes Schmuckstück reparie­ren oder anpassen lassen wollen. Die golde­ne Kette der Grossmutter oder der Ehering der Grosstante verwandelt sich so dank neu­en Ideen in ein den eigenen Vorstellungen entsprechendes Schmuckstück, das die neue Trägerin durchs Leben beglei­tet. Im gemeinsamen Gespräch versucht die Schmuckdesignerin herauszufinden, in wel­che Richtung es stilistisch gehen könnte und realisiert dabei immer wieder: Schmuck drückt Persönlichkeit aus, ist mit Emotionen verbunden, hat Symbolkraft.

 

Das gilt für den zierlichen Fingerring mit dem in Weissgold gefassten Bergkristall genauso wie für die mit Diamanten bestückten runden Ohrste­cker oder die lange 18-karätige Ankerkette mit dem kunstvoll gedrehten Verschluss. Viele der Kreationen entstehen mit Hilfe einer CAD-Design-Software und werden an­schliessend als Prototypen aus dem 3D-Dru­cker gedruckt. So können Kundenwünsche bei der Anprobe noch vor dem eigentlichen Feinguss berücksichtigt werden. Dass die Arbeit der Goldschmiedin aber nach wie vor viel Handarbeit beinhaltet, veranschauli­chen die robuste, am Werkbank fixierte Blechwalze, die grossen Gas- und Sauer­stoffflaschen sowie ein vielfältiger Instru­menten- und Werkzeugkasten mit Metallfei­len, Federzirkeln, Pinzetten, Sägen, Boh­rern, Fräsen und Zangen. Was Anna Andrén antreibt, ist die Freude, mit ihrem Handwerk etwas Einzigartiges zu kreieren und der Stolz, einem Metier nachzugehen, das in Zug eine lange Tradition hat.

 

Bereits im Mittelalter wussten kreative und kunstfertige Zuger, wie man aus Edelmetallen prächtige Schmuckstücke herstellt und genossen überregionale Bekanntheit. Um dieses anspruchsvolle Handwerk zu erlernen, liessen sich im 17. Jahrhundert viele Zuger in Augsburg und Nürnberg, damals bedeutende mitteleuropäische Goldschmiedemetropolen, zu Gold- und Silberschmieden ausbilden und trugen ihr Wissen zurück in die Heimat, um es hier zu verfeinern. Auf dem Höhepunkt der Goldschmiedekunst zwischen 1700 und 1750 waren in Zug 16 Meister tätig. Sie gehörten den Familien Wickart, Brandenberg, Müller, Ohnsorg, Keiser und Spillmann an. Angesehene Leute aus dem Zuger Bürgertum legten ihr Vermögen damals in Schmuck und Tafelsilber an. Es bildete das Kapital, das in Zeiten der Not veräussert oder eingeschmolzen werden konnte.

 

Vor allem die katholische Kirche hatte Bedarf an Goldschmiedearbeiten und war zu jener Zeit Hauptauftraggeber dieses aufstrebenden Gewerbes. Für die Liturgie und die Verehrung der Heiligen liess sie Gefässe, Becher, Kelche, Kreuze, Büsten, Platten, Weihrauchfässer und Kerzenleuchter anfertigen. Zufall oder nicht: In unmittelbarer Nähe der erwähnten Goldschmiedestätten – nämlich in der Kapelle Maria Hilf – befinden sich zwei Prunkstücke populärster Zuger Goldschmiedekunst: zum einen die 1706 in Auftrag gegebene Sonnenmonstranz des Zuger Goldschmieds Karl Martin Keiser. Zum anderen die Figur des Erzengels Michael, dem Zuger Stadtheiligen, die seinerzeit von Johann Melchior Brandenberg gefertigt wurde. Die grossartigen Werke sind an Detailreichtum und Feinheit kaum zu übertreffen.