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Zentralplus

ZUSAMMENARBEIT

Regine Giesecke (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

29.8.2025

SCHLICHT UND SCHNöRKELLOS - TRANSFORMATION EINER ALTEN SCHEUNE

 

Im historisch bedeutsamen Weiler Wart in Hünenberg liess die Korporation eine alte Scheune umbauen. Wo früher gerichtet, geschworen und exerziert wurde, lässt sich heute zeitgemäss wohnen und arbeiten.

 

Ist in Hünenberg von der «Wart» die Rede, denkt man im Kanton Zug automatisch ans traditionsreiche gleichnamige Restaurant. Und tatsächlich ist der 1703 erstellte Bau eine bauhistorische Attraktion. Das Haus mit der dekorativen Fassade und dem herrschaftlichen Charakter ist aber beileibe nicht die einzige Liegenschaft im Weiler, die über besondere Qualitäten verfügt und die Korporation als Eigentümerin mit Stolz erfüllt. Mindestens so viel Aufmerksamkeit erhält derzeit eine Scheune, die vor Kurzem vertikal geteilt und umgenutzt wurde.

 

Mit der Zuger Architektin Tanja Rösner hatte die Korporation Hünenberg die ideale Partnerin gefunden: Der respektvolle Umgang mit historischen Bauten und deren Modernisierung sind ihr als langjähriges Vorstandsmitglied beim Zuger Heimatschutz und Mitglied der kantonalen Kommission für Natur- und Landschaftsschutz ein wichtiges Anliegen. Sie bilden einen integralen Bestandteil ihres Berufsverständnisses. Die Architektin sieht darin ein Betätigungsfeld, das gleichermassen fasziniert wie fordert. «Bauen im Bestand ist zwar anspruchsvoll, aber gleichzeitig auch erfüllend», schwärmt sie. «Man wird sich bewusst, was sich dank guten Handwerks realisieren und bewahren lässt.»


Die nun erfolgte Umnutzung überzeugt in vielerlei Hinsicht, denn die baulichen Eingriffe wurden so getätigt, dass Charakter und Grundstruktur des landwirtschaftlichen Gebäudes bis heute klar erkennbar sind. Grossflächige Einfahrtstore beziehungsweise Klappläden prägen den verglasten Eingangsbereich. Unterschiedliche Boden- und Deckenniveaus dynamisieren die Räume, bauzeitliche Materialien wie Holzschalungen, Sandsteinplatten sowie historische Balken und Futterluken bleiben als Zeitzeugen sichtbar.

 

Bruchsteinwände kontrastieren mit schlichten neuen Gipswänden und fugenlosem Lehmboden, der sich dank Bodenheizung angenehm temperieren lässt. Schlicht gehaltene Küchen, Toiletten und Duschen, schnörkellose kleinere und grössere Verbindungstreppen aus schwarzem Rohstahl sowie stilvolle Decken- und Wandleuchten setzen schliesslich jene Akzente, die signalisieren: Wir befinden uns nicht in der Bauzeit des Stalls anno 1830, sondern im Hier und Jetzt des Jahres 2025.

 

Wie komfortabel es sich in einer alten Scheune wohnen lässt, zeigt ein Augenschein bei Fabienne Schmid, die als Korporationsbürgerin bei der Mieterauswahl zum Handkuss kam und nun seit knapp zwei Jahren mit ihren Hunden die 110 Quadratmeter grosse Einheit bewohnt. «Als Buchhalterin kann ich meine Arbeit fast vollumfänglich im Homeoffice erledigen», berichtet sie.

 

Ihren Laptop klappt sie mal im offenen Wohnbereich im Erdgeschoss auf, mal im ersten Stock, wo sich früher das Heulager befand. Egal wo die Mieterin ihrem Job nachgeht: Tageslicht dringt von mehreren Seiten ein und erhellen die Räume so gut, dass tagsüber auf künstliche Lichtquellen verzichtet werden kann. Die metallenen Ringe, an welche früher das Vieh angebunden wurde, stecken noch immer im fetten Balken; eine Reminiszenz an vergangene Zeiten.

 

Im Frühling und Sommer profitieren die Bewohner zusätzlich von lauschigen Aufenthaltsplätzen im Freien rund um die Scheune. Im Gegensatz zu früher stehen auf dem Innenhof auch keine Autos mehr. Diese biegen dank einer neuen Erschliessung von der Strasse herkommend direkt in die bretterverschalte Garage ein. Die neue Verkehrsführung ermöglichte es dem Chamer Landschaftsarchitekt Benedikt Stähli, ein Gestaltungskonzept umzusetzen, das sowohl punkto Ästhetik wie Nutzung einen deutlichen Mehrwert bringt.

 

Realisiert wurden eine naturnahe Gestaltung und ein standorttypisches Vegetationskonzept mit Wiesenflächen, Blütenstauden und hochstämmigen Bäumen. Die mit Kies und Pflastersteinen versehenen Plätze und Wege fügen sich harmonisch ins Erscheinungsbild des Weilers – grad so, als wären sie immer schon dagewesen.

 

Gekostet hat die Sanierung rund drei Millionen Franken. Für die Korporation war es dies wert. Denn beim Weiler Wart handelt es sich um einen der geschichtsträchtigsten Orte in Hünenberg überhaupt. Schon ab dem frühen 15. Jahrhundert formierte sich in der Kleinsiedlung ein erstes politisches Zentrum. Der grosse Platz mit den imposanten Linden war ein Ort der Gerichtsbarkeit, wo immer wieder wichtige Urteile gesprochen wurden. Hier schworen die Hünenberger ihrem Vogt bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft zudem den Treueeid. Und hier lernten in früheren Zeiten die Hünenberger Burschen von erfahrenen Offizieren das Schiessen und Exerzieren.

 

Der historisch und politisch bedeutsame Hintergrund ist mit ein Grund, warum der Weiler auch im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) gelistet ist und somit – wie der benachbarte Weiler St. Wolfgang – als Objekt von nationaler Bedeutung gilt. Im Jahre 2019 wurde die Wart zudem in eine neue Ortsbildschutzzone überführt. Somit ist sichergestellt, dass diesem Gebiet und den dazugehörigen Bauten und Freiräumen auch künftig ein behutsamer Umgang beschieden ist.