SCHWEISS UND FLEISS IN DER FREIZEITANLAGE
Wer auf der Suche nach einer sinnvollen Freizeitgestaltung ist, wird im Loreto fündig: tanzend, töpfernd, turnend, schweissend, nähend, strickend, drechselnd. Das freudvolle Lernen geht einher mit zwanglosen Begegnungen und einem wertvollen sozialen Austausch.
Fällt der Begriff Loreto, kommen manche Jugendliche ins Stöhnen. «Oooouuuu…» Da hat man doch drei Jahre lang die Schulbank gedrückt. Die ganze Lernerei war ein Krampf. Prüfungen, strenge Lehrer, bisweilen war Nachsitzen angesagt. Die Assoziationen mit dem Loreto, der architektonisch prägnanten, terrassierten Betonanlage an der Löberenstrasse, können aber auch ganz anders ausfallen: «Toll! Hier habe ich in der Holzwerkstatt meine Kommode gebaut. Dort habe ich im Keramikatelier meine Dessertschalen kreiert. Hier besuche ich regelmässig meinen Italienisch-, Yoga-, Tango- oder Schreibkurs.» Fest steht: Wer das Loreto mit der gleichnamigen, seit 1970 von der GGZ betriebenen Freizeitanlage verbindet, gerät ins Schwärmen. Denn hier wird zwar auch gelernt, aber gänzlich freiwillig und umso motivierter.
Abgedeckt wird ein vielfältiges Angebot, das sich von Sprachen, Handwerk, Tanz, Musik, Theater, Fotografie über Kulinarik und Gesundheit bis hin zu Medien und Informatik erstreckt. Das Programm wird jedes Jahr aufs Neue zusammengestellt und hält sowohl beliebte Klassiker wie auch Überraschungen bereit. Einen dekorativen Türkranz aus Trockenblumen kreieren? Im Loreto lernst du, wie das geht! Shampoo, Bodylotion und Deo als Naturkosmetik herstellen? Im Loreto kannst du es ausprobieren! Endlich verstehen, was Bitcoins sind und welche Rolle Wallets, Blockchain und Exchanges in der Finanzwelt spielen? Das Loreto hilft auf die Sprünge!
Wer sich auf der übersichtlichen Website durch die Angebote klickt, möchte am liebsten gleich in Frühpension gehen, um in der gewonnenen Freizeit seinen Wissensdurst im Loreto zu löschen und dort seiner Kreativität freien Lauf zu lassen: für wenige Stunden pro Woche oder im Rahmen eines Semesterkurses, in welchem Fertigkeiten über eine längere Zeit erlernt und vertieft werden.
Wie im Nähkurs von Melanie Gomez, der anlässlich unseres Besuches am Dienstagmorgen in Raum 513 stattfindet. Sechs Frauen hantieren konzentriert mit Messband, Schere, Stoff und Stecknadeln bzw. sind an modernen Nähmaschinen beschäftigt. Der Kurs findet jede Woche während zweieinhalb Stunden statt und ist beliebt. Die Regelmässigkeit sei wichtig, so Melanie, dann gebe es auch Fortschritte. Ob Taschen, Blusen, Röcke oder Jacken: Jede Teilnehmerin entscheidet selber, was sie kreiert, bringt ein eigenes Schnittmuster mit oder holt sich bei der Kursleiterin Inspiration. Pamela, eine Amerikanerin aus Walchwil, hat sich nach der komplexen Anfertigung von vier Stuhlüberzügen nun für ein weniger kompliziertes Unterfangen entschieden und präsentiert stolz ihr fast fertiges Werk: eine Stoffdecke für ihr Sofa zum Schutz vor Hundehaaren. Sie freue sich jede Woche aufs Loreto, berichtet Pamela in gebrochenem Deutsch und strahlt. «Hier lerne ich nicht nur Nähen, sondern auch die Landessprache. Im Kurs wird konsequent Deutsch gesprochen.» Gut gelaunt verlässt sie nach Kursende mit einem grossen Coffee-Mug in der Hand die Freizeitanlage.
Ganz im Zentrum stehen Sprachkenntnisse am Nachmittag ein Stockwerk weiter oben in Raum 524. Da haben sich sechs Ausländerinnen versammelt, die erst seit Kurzem in Zug leben und Deutsch lernen. Die Gruppe kommt buchstäblich aus aller Welt. Jede Frau spricht eine andere Muttersprache: Russisch, Englisch, Schwedisch, Spanisch, Hindi (Indien) oder Amharisch (Äthiopien). Der Schwerpunkt des von Bund und Gemeinden subventionierten Kurses liegt auf Konversation, Wortschatz und Grammatik. Gelernt wird fokussiert. Schliesslich wollen die Frauen nicht einfach ihre Fähigkeiten im Smalltalk verbessern, sondern konkret ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
Das Loreto als Kursort ist für sie auch darum attraktiv, weil zeitgleich ein Kinderhort zur Verfügung steht. Während die Erwachsenen im Schulzimmer lernen, wie man Nebensätze bildet, sind im Nebenzimmer Buben und Mädchen mit Malen und Basteln beschäftigt und besuchen damit quasi parallel ihren eigenen Deutschkurs.
Es ist ein attraktiver Mix an Kursen, der im Loreto geboten wird. Immer wieder werden aktuelle und neue, durchaus auch gesellschaftlich relevante Themen aufgegriffen und gleichzeitig Bedürfnisse aus der breiten Bevölkerung abgedeckt, die konstant gefragt sind. Die allermeisten Kurse werden vom Loreto selber initiiert und organisiert, die Preise sind moderat. Doch kann die attraktive Anlage mit den grosszügigen, hellen und vielfältig nutzbaren Räumlichkeiten auch von Privatpersonen oder Partnern, wie beispielsweise der Pro Senectute, für eigene Kurse gemietet werden. «Wichtig ist, dass das Haus lebt», betont Manuela Burkart, der die Leitung des Betriebs seit vier Jahren obliegt.
Die gelernte Metallbauzeichnerin ist selber mit einer grossen Begeisterung fürs Lernen ausgestattet. Nach ihrer technischen Ausbildung absolvierte sie eine Weiterbildung zur typografischen Gestalterin, erlangte einen Abschluss in Management für Non-Profit-Organisationen und schloss ihre Qualifikationen mit einem Diplom in psychosozialer Beratung ab. Handwerk, Technik, Design, Gestaltung, Betriebswirtschaft, der Umgang mit unterschiedlichsten Menschen – all diese Fähigkeiten und Affinitäten kann sie nun in ihrer Arbeit als Loreto-Chefin einbringen. «Ich habe hier meinen Traumjob gefunden», betont sie und bezeichnet die GGZ spontan als «allerbeste Arbeitgeberin». «Ich und die GZZ, wir vertreten die gleichen Werte», so Burkart. «Menschen sollen sich im Loreto entfalten, unkompliziert begegnen und zu guten Konditionen ein niederschwelliges Lernangebot in Anspruch nehmen können.» Egal ob Akademiker, Flüchtling, Hausfrau, Buschauffeur oder Rechtsanwältin – die Kundschaft ist ein bunter Haufen von Männern und Frauen quer durch alle Altersklassen und Schichten.
Man begegnet sich auf Augenhöhe – oft am grossen langen Holztisch, der beim Eingang steht, ein veritabler «Meetingpoint». Da macht man kurz Pause, trinkt einen Kaffee, tauscht sich aus. «Der Groove ist einzigartig», freut sich die Chefin und berichtet von der tollen Zusammenarbeit im siebenköpfigen Team, das sie führt, und von den vielen Kursleiterinnen und Kursleitern, die mit Leidenschaft und Expertise bei der Sache seien, egal ob ein Kurs in «Urban Sketching» oder Schwyzerörgelispielen auf dem Programm stehe. Ganz praxistauglich geht es im Kurs «Selbst gemacht, Geld gespart» zu und her, wo Tipps und Tricks rund ums Thema Haushalt und Reparaturen erlernt werden können. Stichworte: tropfender Wasserhahn, verstopfte Siphons, undichte Fugen, Montage und Anschluss von Lampen, Bildern etc.
Was die Kursinhalte angeht, ist das Loreto offen für vieles, gleichzeitig aber auch um ein eigenes Profil bemüht. Kurse, die ins Esoterische abdriften, überlässt man lieber anderen Institutionen, was nicht heisst, dass man nicht auch auf Trends aufspringt, die weniger bodenständig sind, eher die Sinnlichkeit oder Spiritualität ansprechen, Richtung Persönlichkeitsbildung oder – wie man heute sagt – «Empowering» gehen. «Feel good – lebe deine Einzigartigkeit» heisst beispielsweise ein ganztägiger Kurs, in welchem das Körperbewusstsein im Zentrum steht und sich Teilnehmer mit ihrem Selbstvertrauen befassen, herausfinden, was ihnen im Leben Halt und Orientierung gibt, aber auch Entspannungstechniken lernen.
Nicht immer ist es einfach abzuschätzen, was beim Publikum ankommt und was nicht. Probieren geht über Studieren. Ein Lachkurs stiess wider Erwarten auf Anklang, der Kurs über Handanalyse und Familienforschung ebenso. Anders sah es mit dem Ausdruckstanz aus. «Hier lag es vielleicht auch am Namen, der etwas abschreckend wirkte», vermutet Manuela Burkart. Mit einem Kurstitel wie «Freies Tanzen» hätte man allenfalls eher Interessierte gefunden. Fest steht: «Der Ausgleich zum Berufsalltag wird für viele Leute immer wichtiger, das merken wir», erzählt sie. «Man will abschalten, sich in eine weniger kopflastige Beschäftigung vertiefen.» Ihre eigene Kreativität sei in den Jahren zeitbedingt allerdings etwas auf der Strecke geblieben. Die Freizeit verbringt Manuela Burkart stattdessen mit Lesen, Gärtnern, Wandern und Spaziergängen in Begleitung ihres Hundes.
Konstant gut besucht sind die drei offenen Werkstätten, wo unglaublich produktiv gearbeitet wird. In der professionell ausgestatteten Holzwerkstatt fliegen oft bis spätabends die Späne, wie Passanten der Löberenstrasse feststellen können. Kreissäge, Bandsäge, Plattensäge, Tischkreissäge, Unterflursäge, Ständerbohrmaschine – der Maschinenpark ist beeindruckend und steht dem Hobbyschreiner bzw. der Schreinerin (der Frauenanteil ist hoch) nach einem Kursbesuch genauso zur Verfügung wie dem erfahrenen Handwerker, der auf hohem Niveau sägt und hobelt. Die Metallwerkstatt ist etwas weniger stark belegt, entspricht aber ebenfalls einem Bedürfnis, vor allem seit der Raum erweitert und mit neuen Maschinen und Oblichtern ausgestattet worden ist. In der Keramikwerkstatt wiederum ist freies Gestalten und Formen mit Ton angesagt. Die Plätze an den acht elektrischen Töpferscheiben sind gut besucht. Für die Drehkurse, in denen das Handling gelernt wird, bestehen Wartelisten. «Was hier produziert wird, wird auch hier gebrannt», erklärt Manuela Burkart. Deshalb sind mehrere Brennöfen konstant am Laufen. Restton, der beim Arbeiten anfällt, wird mit einer speziellen Maschine aufgearbeitet und anschliessend wieder verwendet. Dem sorgfältigen, nachhaltigen Umgang mit Materialien kommt im Loreto eine hohe Bedeutung zu.
Hier endet der spannende Rundgang durch die Freizeitanlage. Irgendwie verspürt man jetzt richtig Lust, selber etwas Neues zu lernen – und hat die Qual der Wahl. Doch der Fall ist eigentlich klar: Linedance! Das wollte man schon immer mal ausprobieren. Sieht cool aus und kann nicht so schwer sein. Ein, zwei Schritte nach vorn, drei, vier Schritte zurück, linksumkehrt, rechtsumkehrt, Hauptsache, auf Linie. «Zu Country-Musik tanzen, bis die Schuhe rauchen» lautet der Slogan zum Kurs, der von Gaby Genner unterrichtet wird.
Aus Rücksichtnahme auf die spontane Neueinsteigerin und mit der Aufforderung, sofort mitzumachen, beginnt Gaby ihren Kurs denn auch mit einer einfachen Schrittfolge aus «Basic Steps», der zu einem tendenziell langsamen Lied getanzt wird. Dann wird es komplexer, schneller. Nun gilt es shuffle, slide, heel, step turn und stomp up in der korrekten Abfolge aneinanderzureihen und im richtigen Moment eine Drehung zu machen. Doch prompt tanzt man nun aus der Reihe und findet nur schwer wieder Anschluss an die Gruppe. «Es ist wie Kreuzworträtsel für die Füsse», meint Gaby lachend, schwingt ein Bein locker nach vorne und setzt die Hüfte kreisförmig in Bewegung. Das sieht wirklich cool aus. Aber einfach ist das nicht!