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ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2021

INVESTIGATIV – AUS PRINZIP!

 

Anmerkungen zum Öffentlichkeitsprinzip

 

Journalisten sind manchmal seltsame Wesen. Berufen sich ohne Not auf das Öffentlichkeitsprinzip, um notabene an simpelste Informationen zu gelangen. Neulich passiert in Zusammenhang einer Medienanfrage, in welche die Schreibende als Kommunikationsberaterin involviert war. Ein Lokaljournalist wandte sich per Mail an einen Zuger Regierungsrat, um – «gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip» - zu erfahren, wie hoch denn die Fluktuationsrate in einem bestimmten Asylzentrum sei. Der gute Mann witterte einen Skandal bzw. hatte offenbar mit ein paar ehemaligen, unzufriedenen Mitarbeitern gesprochen, die sich bitter über den Chef besagter Unterkunft beklagten. Vorwurf: er pflege gegenüber dem Personal «einen militärischen Führungsstil», sei «gemein» und hätte unzählige Leute «rausgemobbt».

 

Mal abgesehen davon, dass einem Asylzentrumsverantwortlichen und einem zuständigen bürgerlichen Regierungsrat wohl nichts Besseres passieren kann, als wenn in den Medien durchsickert, dass ein Asylwohnheim straff geführt wird, waren die vom Journalisten gewünschten Informationen zur Personalsituation im Zentrum alles andere als geheim, geschweige denn spektakulär. Flugs liess die zuständige Verwaltungseinheit darum eine Liste erstellen, die aufzeigte, wie viele Personen wann ihre Stelle antraten und wie viele Leute den Posten wann wieder verliessen. Gleichzeitig klärte man den Journalisten dahingehend auf, dass es sich hierbei a) nicht um ein bereits existierendes, bisher unter Verschluss gehaltenes Dokument handle und b) der Medienschaffende sich ergo für dessen Erhalt auch nicht auf das seit 2014 im Kanton Zug geltende Öffentlichkeitsprinzip bzw. Öffentlichkeitsgesetz stützen müsse.

 

Die Enttäuschung darüber muss beim Journalisten gross gewesen seien. Denn im anderntags in der Zeitung erschienenen Text (Headline: «Mobbingvorwürfe im Zuger Asylwesen») war abermals zu lesen, dass «ein Dokument, das unsere Zeitung mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung eingesehen hat», zeige, dass es seit der Übernahme des Zentrumsleiters «zu einem Dutzend Personenwechseln» gekommen sei.

 

An dieser Stelle darum folgender Tipp an recherchierende Journalisten: Berufen Sie sich, wenn Sie Informationen bei einer Amtsstelle einholen, doch schon mal vorsorglich auf das Öffentlichkeitsprinzip und formulieren sie das auch entsprechend im Text, der daraus resultiert (z.B. so: «gestützt aus das Öffentlichkeitsprinzip hat unsere Zeitung in Erfahrung gebracht, dass die diesjährige Schulreise des Bundesrates ins Toggenburg führt». Oder: «Mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip hat unsere Zeitung bei den Behörden des Kantons Schwyz aufgedeckt, dass die Abstimmung über den Objektkredit des neuen Kindergartens im Sommer 2021 stattfindet.») Es klingt einfach investigativer. Und der Leser badet im Glauben, in den Genuss einer Information gekommen zu sein, die ihm ohne das mittlerweile in fast allen Kantonen verankerte Öffentlichkeitsprinzip bzw. ohne den Spürsinn und die Hartnäckigkeit unerschrockener Journalisten vorenthalten worden wäre. Auch er fühlt sich also besser.