CHEF DU CHAMPAGNE
Cécile Bonnefond führt als Président-directeur général (PDG) die Firma Veuve Clicquot. Diese gehört zur Firmengruppe LVMH. Hinter der Abkürzung verbirgt sich der grösste Konzern für Luxusgüter der Welt. Dazu zählen neben Veuve Clicquot auch Moët & Chandon, Dom Perignon, Hennessy, Bulgari, Givenchy, Kenzo, Dior, Fendi, Benefit, TAG Heuer und auch Louis Vuitton,
Frau Bonnefond, fühlen Sie sich als oberste Chefin eines Champagnerhauses manchmal einsam?
Eigentlich nicht. Ich habe bei Veuve Clicquot eine tolle Equipe.
Ich dachte eher an Ihre Position. CEO-Frauen sind ja auch in Frankreich relativ rar. Frauen machen 45 Prozent der Erwerbsbevölkerung aus, aber sie repräsentieren nicht mal 10 Prozent in leitenden Funktionen.
Das stimmt. Wenn die Entscheidungsträger zusammenkommen, bin ich meistens von Männern umgeben, doch das bin ich gewohnt. Ich gehöre zur ersten Generation Frauen, die in einem Grossunternehmen an der Spitze stehen. Aber das wird irgendwann einmal normal. Ich bin sicher, in zehn Jahren sehen die Statistiken in Frankreich ganz anders aus. Das ist eine Frage der Zeit und der Bewusstseinsbildung.
Aber wie erklären Sie sich die momentane Situation? Sind da die Frauen selber schuld oder etwa die Männer?
Ehrlich gesagt befasse ich mich nicht so intensiv mit Frauenförderung. Ich stelle einfach fest, dass an Sitzungen alle ausser mir eine Krawatte tragen, aber dass dies nur ein optischer Unterschied ist. Ich fühle mich gleichgestellt und werde genauso ernst genommen wie die männlichen Kollegen. Die Tatsache, dass ich bei Veuve Clicquot die oberste Führungsfunktion habe und bei uns auch sonst viele Frauen im Kader sitzen, sensibilisiert natürlich die Angestellten. Sie sehen, dass Frauen Verantwortung übernehmen wollen und können. Auch Veuve Clicquot USA, Japan und Italien werden von Frauen geleitet.
Als Sie vor zwei Jahren zur Président-directeur général, kurz PDG, ernannt wurden, attestierte man Ihnen weibliche Qualitäten wie Exaktheit und Intuition sowie die Gabe, ein gutes Betriebsklima zu schaffen.
Ich fasste das als Kompliment auf. Zur weiblichen Qualität zähle ich auch, was man in Frankreich l’art de vivre nennt. Und diese ist in der Branche des Champagners, der ein Lebensgefühl vermittelt, besonders wichtig. Der Sinn für Schönheit, Luxus und Eleganz, die Sensibilität für Raffinesse zählen im Luxusbereich mindestens so stark, wie Zielstrebigkeit und Ausdauer.
Sind deshalb dort Frauen so erfolgreich? Chanel ist in Frauenhand, (Françoise Montenay), L’Oréal (Beatrice Dautresme), die Marken Kenzo, Philipps und Givenchy um nur die bekanntesten zu nennen.
In den Bereichen Kosmetik und Mode waren die Frauen schon immer gut vertreten und vielleicht traut man ihnen dort Führungspositionen eher zu. Persönlich bin ich überzeugt: Um oben anzukommen – in welcher Branche auch immer – muss man in erster Linie viel arbeiten und mit Leidenschaft arbeiten. Ich hatte auch stets tolle Vorgesetzte, die mich gefördert und mir vertraut haben. Und natürlich hatte ich auch Glück.
Das tönt sehr einfach. Sind sie nie an der gläsernen Decke angestossen, wo Sie gemerkt haben, jetzt komme ich nicht mehr weiter?
Ich hatte nie das Gefühl, dass mich jemand aufhalten will. Aber ich habe auch immer deutlich signalisiert, dass ich beruflich etwas erreichen will. Frauen müssen das manchmal ein bisschen deutlicher demonstrieren als Männer. Denn es ist wichtig, dass das Umfeld diese Ambitionen registriert. Je weiter man dann in der Hierarchie aufsteigt, desto besser kennt man die Regeln des Spiels.
Die Veuve (Witwe) Clicquot musste ins kalte Wasser springen und den Familienbetrieb von ihrem verstorbenen Mann 1805 als 27-Jährige übernehmen. Ohne Ausbildung und jegliche Erfahrung verzeichnete sie Rekordabsätze, exportiere sogar nach Russland. Gibt es solche märchenhaften Erfolgsgeschichten in der heutigen Wirtschaft noch?
Ich finde die Geschichte und die damit verbundene Tradition des Hauses Clicquot auch eindrücklich und zitiere sie gerne. Solche Abenteuer gibt es auch heute noch.Viele erfolgreiche Firmen haben in einer Garage oder im sous-sol angefangen, wie die Individualisten im Bereich Informatik. Auch im Detailhandel gibt es solche Erfolgsgeschichten. Jemand eröffnet eine kleine Boutique und am Schluss existiert eine ganze Ladenkette.
Nicole Clicquot war die klassische Startup-euse.
Heute würde man sie vermutlich so nennen. Zielstrebig kaufte sie nach und nach Parzellen in den besten Lagen der Champagne auf und stellte so den Grossteil der 286 Hektaren zusammen, die noch heute das einzigartige Weingut des Hauses Clicquot Ponsardin bilden. Auch das berühmte, wunderschöne gelbe Etikett, an dem man unsere Flaschen seit über 150 erkennt, hat sie entworfen.
Geht es beim Prix Veuve Clicquot darum, Pionierinnen auszuzeichnen?
Ja, wir möchten Frauen auszeichnen, die etwas unternommen haben, im wahrsten Sinne des Wortes Entrepreneur. Frauen, die etwas angepackt und Courage bewiesen haben. Die Gewinnerinnen zeichnen sich durch Esprit, Kampfgeist und Visionen aus.
Momentan sind allerdings Arbeitsplatzabbau und Konkurse europaweit an der Tagesordnung. Interessiert es da überhaupt jemand, wer einen solchen Preis gewinnt?
Dieser Preis ist wichtiger denn je, weil er initiativen Unternehmerinnen öffentliche Anerkennung gibt. Weil er zeigt, dass man trotz den momentan sehr schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen Erfolg haben kann. Und weil er, so hoffe ich, andere motiviert. Die Weltwirtschaft wird er nicht revolutionieren. Dessen bin ich mir bewusst.
Ist die erfolgreiche Businessfrau auch das Zielpublikum von Veuve Clicquot? Ich frage, weil man praktisch keine Werbung Ihres Champagners sieht.
Wir machen sehr wenig Werbung, das stimmt. Hingegen sind wir stark im Merchandising und setzen auf den direkten Kontakt zu unseren Klienten und Abnehmern. Vom Image her haben wir die elegante aber durchaus auch fortschrittliche Frau im Auge. Wir suchen die Balance zwischen Tradition und Moderne. Sagen wir es so: Moderne Frauen aber auch Männer finden bei uns jene Tradition, die sich in der Qualität des Weines widerspiegelt.
Ihre Mutter, die Hausfrau war, entsprach noch dem traditionellen Rollenbild. War das nie eine Option für Sie? Heiraten, Kinder haben und den Haushalt führen?
Nein. Spätestens, als ich mein Marketingdiplom an der European Business School machte, war klar, dass ich berufstätig sein werde. Ich hätte auch Kinder haben und berufstätig sein können. Aber ich habe nun eine andere Wahl getroffen. Man kann nicht alles haben. Das ist schade, aber so ist es nun mal.
Welche Beziehung haben Sie zum Champagner?
Ich habe Champagner immer geliebt. Es ist ein wundervolles Getränk um schöne Momente zu feiern. Wenn ich einen guten Champagner trinke, möchte ich damit zeigen, dass ich gut und gerne lebe.
Cécile Bonnefond, 45, studierte an der European Business School in Paris und London Marketing. Nach sechsjähriger Tätigkeit beim Lebensmittelkonzern Danone, wechselte sie als als Produktechefin zur Firma Kelloggs, der sie zehn Jahre lang die Treue hielt. 1995 übernahm sie die Geschäftsleitung des französischen Patisserieherstellers Brossard, bis sie im Januar 2001 zur CEO von Veuve Clicquot (Gruppe LVMH) ernannt wurde. Bonnefond ist verheiratet und pendelt zwischen Paris, Reins, (der Hauptstadt des Champagners) und der Welt. «Ich bin nach Nicole Clicquot die zweite Frau, die das Unternehmen führt», pflegt sie zu sagen, «doch möchte ich nicht die zweite Witwe werden.»