PUBLIKATION

Schweizer Familie
 

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

18.4.2006

ABFALL ALS HOBBY

 

Amt für Müll

 

Die Fahrt zur Sonderabfallsammelstelle war nicht mehr abwendbar: PET-Flaschen, Zeitungen, Spraydosen, Gurkengläser, Schuhschachteln stapelten sich dergestalt auf  meinem kleinen Balkon, dass kein Durchkommen mehr war.  Also packte ich das Auto voll und fuhr los.

 

Müll entsorgen – muss man wissen – ist eine Lieblingsbeschäftigung der Zugerinnen und Zuger, und weil sie das so gerne machen, sind sie darin auch spitze. Während gesamtschweizerisch nämlich nur ein Drittel des Mülls recycelt und zwei Drittel weggeschmissen wird, verhält es sich im Kanton Zug gerade umgekehrt. Seit die Bevölkerung vor dreizehn Jahren eine von der Regierung geplante Kehrrichtverbrennungsanlage per Volksabstimmung abgelehnt hat, ist die alternative Abfallbewirtschaftung hier Trumpf. Zu ihrer Sammelstelle beim Güterbahnhof pflegen die Einwohner ein geradezu herzliches Verhältnis und nennen sie liebevoll «Ökihof». Der «Ökihof» gehört zur am häufigsten frequentierten Amtsstelle und immer mal wieder (kein Witz!) sieht man Delegationen aus Japan, die das pionierhafte Konzept vor Ort in Augenschein nehmen und Videos drehen. «Ich gehe heute noch zum Ökihof», ist hier der typische Samstagmorgensatz, und er klingt so heiter, wie wenn ein Teenager verkündet: «Ich habe soeben ein Gratis-Ticket fürs Robbie Williams Konzert gewonnen!»

 

Die Entsorgungs-Euphorie steht den Leuten ins Gesicht geschrieben, wenn sie in eifriger Manier Sperrgut, Eierschalen, Stahlblechdosen, Alt- und Speiseöl, Polystrol und Hartschaum, Batterien, Akkus, Büroelektronik, Haushaltapparate, Lack und Farben, Medikamente, Leuchtstofflampen und – ja, auch das – Tierkadaver entsorgen.

 

Achtung, jetzt bin ich dran! Ich parkiere das Auto vor der Station «Papier», lade meine mit Zeitungen gefüllten Papiersäcke aus und schmeisse sie schwungvoll in den dafür vorgesehenen Container. Den leeren Papiersack will ich gleich mitentsorgen, da kommt ein Mitarbeiter angerannt und schreit, dass es der ganze Werkhof hört: «Nein, halt!». «Ist der Papiersack etwa nicht aus Papier?», frage ich amüsiert. «Im Prinzip schon», sagt der Mann mit konzentrierter Mine und setzt zur Erklärung an. «Jedoch handelt es sich hier um verstärktes Papier, weshalb man es beim Karton entsorgt.» «Ach so!», murmle ich vor mich hin, «Papier zu Karton» und marschiere, aus der kruden Logik den Umkehrschluss ziehend, mit dem Karton zum Papier.