PUBLIKATION

Destinationsmagazin Zug

ZUSAMMENARBEIT

Martin Bissig (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

5.5.2024

VERJüNGUNG FüR DAS ZUGER KUNSTHAUS

 

Mehr Dialog, Vermittlung und Raum – Jana Bruggmann, Alexandra Sattler und Simone Stähli bringen frischen Wind und neue Ideen ins Zuger Kunsthaus, wollen aber nicht auf jeden Trend aufspringen.

 

Frauenpower? Matthias Haldemann kann liefern. Der Direktor des Kunsthaus Zug freut sich sichtlich über den neusten Zuwachs in seinem Team und gerät ins Schwärmen, wenn er auf das weibliche Trio angesprochen wird. Verjüngung und Kompetenz sind nur zwei Stichworte, die er in Bezug auf die Präsenz von Jana Bruggmann (Kuration), Simone Stähli (Vermittlung) und Alexandra Sattler (Sammlung) als Trümpfe einer neuen personellen Aufstellung nennt. Im Gespräch mit dem motivierten Trio wird dann auch klar, wie die Expertinnen konkret dafür sorgen werden, dass kein Weg am kleinen, aber feinen Kunsthaus an der Dorfstrasse 27 vorbeiführt.


Die drei Kunsthistorikerinnen kommen gerade von einer Sitzung und sind bestens gelaunt. Man arbeite zwar erst seit ein paar Monaten zusammen, habe sich als Team aber subito gefunden. «Ich habe selten so viel gelacht bei der Arbeit», betont Simone Stähli. Ungewohnte Töne aus der Kunstszene, wo es – so denkt man – stets mit grösstem Ernst zur Sache geht und vor lauter intellektuellem Sachverstand kein Raum für Lockerheit bleibt. Dabei braucht man gar kein Kunstfreak zu sein, um die Kunststätte als Ziel anzupeilen. Im lauschigen Garten, eingefasst in eine Anlage aus dem 16. Jahrhundert, lässt es sich im Sommer auch ohne Ausstellungsdrang vortrefflich verweilen. Die Aussicht auf die Anlagen der Zuger Burg, des Huwilerturms und des Burgbachschulhauses ist fantastisch. Am Empfang wiederum eröffnet sich ein reizvoller Blick auf die psychedelisch anmutende Tapete des Künstlers Peter Kogler. Die Wand- und Deckeninstallation verzerrt die räumliche Wahrnehmung mit Kalkül und fordert das Auge. Hilfe, mir wird schwindlig!


Zurück zum Trio: Stähli sieht ihre Aufgabe als Teil des Vermittlungsteams darin, die Leute weiterhin mit einem vielfältigen Angebot an Workshops, Veranstaltungen und Projekten für die Kunst zu begeistern, und ist überzeugt, mit dem richtigen Ansatz auch den einen oder anderen «Kunstmuffel» hinter dem Ofen hervorzulocken. «Man muss die Leute nur am richtigen Ort abholen», ist sie überzeugt. Inklusion ist ihr ein wichtiges Anliegen, was bedeutet, dass vom Kindergartenkind bis zur Hochbetagten alle Leute im Museum willkommen sind, auf deren Bedürfnisse Rücksicht genommen wird und ebenso Menschen mit einer Beeinträchtigung von der Kunst profitieren sollen. Bruggmann wiederum sorgt dafür, dass das Kunsthaus mit sorgfältig geplanten Ausstellungen sein Profil weiter schärfen kann und seinem guten Ruf als Innerschweizer Perle in der Schweizer Museumslandschaft gerecht wird. Alexandra Sattler wiederum kümmert sich als Verantwortliche für die Sammlung sozusagen um den «Schatz» des Kunsthauses, bietet Gewähr, dass die 4500 Werke sachgemäss im Depot gelagert, bei Bedarf sorgsam verpackt, transportiert und präsentiert werden. Damit die Zusammenarbeit mit anderen Häusern für Leihnahmen und Leihgaben gelingt, pflegt sie mit den Verantwortlichen einen regen Kontakt. Dass ihr Einsatz in Zug nach einer intensiven, aber kurzen Phase schon bald wieder zu Ende geht, ist schade. Doch die ambitionierte Expertin und gebürtige Österreicherin hat eine Stelle als kuratorische Assistenz in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien angeboten bekommen, was für sie einen wichtigen Karriereschritt darstellt. Das Kunsthaus Zug war für sie ein ideales Sprungbrett.

 

Gutes Teamwork ist umso relevanter, als das Kunsthaus nicht nur die Sammlung der Zuger Kunstgesellschaft beherbergt, sondern sich auch um die Werke der Sammlung Kamm kümmert. Hierbei handelt es sich um die bedeutendste Kollektion der Wiener Moderne in Europa ausserhalb Österreichs. Vertreten sind namhafte Künstler wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Josef Hoffmann, Richard Gerstl, Fritz Wotruba und Oskar Kokoschka. Zum grossen Bedauern von Kuratorin Bruggmann lassen die beschränkten Platzverhältnisse eine dauerhafte Präsentation der umfangreichen und vielfältigen Sammlung nicht zu.

 

Einzelne Werke werden aber immer wieder gezielt in thematischen Wechselausstellungen eingebunden. Das Publikum freut sich an der Betrachtung international bekannter Preziosen genauso wie an weniger bekannten Werken, die dank dem Kunsthaus den Weg an die Öffentlichkeit finden. Als besonderes Charakteristikum für das Kunsthaus gelten die Langzeitprojekte, die Direktor Haldemann ins Leben gerufen hat. Es sind Projekte, die auf einer mehrjährigen Zusammenarbeit mit Künstlern wie Roman Signer, Tadashi Kawamata, Olafur Eliasson und Richard Tuttle basieren. Jana Bruggmann wird diesen Faden auf ihre Art weiterspinnen, denn die Langzeitprojekte erlaubten es dem Publikum, das Schaffen eines Künstlers über mehrere Jahre hinweg zu begleiten, mitzuerleben, wie sich ein ganzes Werk entwickelt und verändert.


Kontinuität und Commitment statt Hypes und Trends – so das kuratorische Motto. Voraussichtlich ab Sommer 2024 kann das Kunsthaus auf dem Areal der V-Zug zudem ein Schaulager realisieren. Plastische und installative Kunstwerke werden in der Halle 11 auf rund 700 Quadratmetern gezeigt. Die grosse, offene Shedhalle soll zu einem lebendigen Begegnungsort für Kunst und Kultur und einer neuen Plattform für interdisziplinäre Kooperationen werden.

 

Ein wichtiger Aspekt, der zu den Kernaufgaben des Kunsthauses zählt und der auch künftig berücksichtigt werden soll, ist der Einbezug und die Förderung von Kunstschaffenden, die einen direkten Bezug zu Zug haben. Profitiert haben davon zuletzt Guido Baselgia, Annemie Lieder oder Lukas Hoffmann. Sie konnten ihre Werke in Zug, sei es in Einzel- oder Gruppenausstellungen, einem interessierten Publikum zeigen und sind mit einem oder mehreren Werken in der Sammlung vertreten. Letzteres gilt auch für so renommierte Künstlerinnen wie Heidi Bucher, Miriam Cahn, Verena Loewensberg, Annelies Štrba, Josephine Troller oder Hannah Villiger. Dennoch: Frauen sind in den Museumssammlungen – in Zug, aber auch anderswo – bis heute deutlich unterrepräsentiert, nicht zuletzt deshalb, weil ihnen eine entsprechende Ausbildung an den Akademien bis vor
rund 120 Jahren schlicht verwehrt blieb. Es sei aber ein Wandel im Gange, so das Trio. «Die Wertschätzung von Frauen in der Kunst hat deutlich zugenommen, und dies absolut zu Recht», ist man sich einig.

 

Der kurzweilige Austausch mit den Kunsthausfrauen neigt sich dem Ende zu. Was nicht heisst, dass man die Kunst jetzt hinter sich lässt. Beim Verlassen des Gebäudes bleibt der Blick der Besucherin an einem aus Aluminiumdraht gefertigten 8 Meter breiten Nest haften. Das widerspenstige Werk «Parasite» stammt vom Österreicher Michael Kienzer und steht im Spannungsfeld mit dem Geäst im Garten. Dessen Innenleben nimmt je nach Jahreszeit eine andere Gestalt an. Kurz danach hält die Besucherin vor einer blau leuchtenden Buchstabenkette inne, die an der barocken Fassade beim Ausgang des Museums befestigt ist. «I’VE FORGOTTEN TO FEED THE CAT» heisst es linker Hand. «I HAVEN’T GOT A CAT» steht auf der rechten Seite. Wem sich der Sinn nicht erschliesst, fragt am besten bei den auskunftsfreudigen Expertinnen nach. So viel vorab: Das Werk der walisischen Konzeptkünstlerin Bethan Huws spielt mit den Grenzen der Verständigung. Und mit der Freude am Nonsens.