PUBLIKATION

Denkmaljournal / CH Media

ZUSAMMENARBEIT

Regine Giesecke (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

4.4.2022

HISTORISCH, HELL, FAMILIENTAUGLICH

 

Warum ein neues Einfamilienhaus bauen, wenn ein historisches Bauernhaus mit 300-jährigem Gebälk darauf wartet, saniert, umgebaut und modernisiert zu werden? Die Familie Dünnenberger hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen, die richtigen Fachleute ins Boot geholt und in Steinhausen ihr Traumhaus realisiert.

 

Von Architektur und denkmalgerechtem Umbau versteht er zwar kaum etwas, und doch ist Ivo Dünnenberger die ideale Person, um der Besucherin das wunderschöne Bauernhaus – sein Daheim – zu zeigen. Höchst vergnügt und redselig führt der Dreijährige in alle Etagen und Räume, schlägt auf Matratzen Purzelbäume und weicht seinen Eltern Sebastian und Andrea nicht von der Seite. Die wirken genauso begeistert und berichten detailliert über den Prozess des aufwendigen und anspruchsvollen Umbaus. Im Jahre 2016 hat das Ehepaar das um 1719 erstellte Haus «Wald 1» erworben und sich damit auf einen intensiven Umbauprozess eingelassen. «Ein Prozess, der sich gelohnt hat», nimmt Andrea das Resultat vornweg. «Mit dem Umbau sind wir rundum glücklich. Und es gibt nichts, was wir rückblickend anders machen würden.» Umgeben von Landwirtschaftsland und unweit des Steinhauser Waldes befindet sich das anmutige Bauernhaus nicht einmal so sehr «ab vom Schuss» – einen knappen Kilometer vom Dorfzentrum entfernt.

 

Beim Holzhaus handelt es sich um einen in der Region eher seltenen Vielzweckbau. Wohnhaus und ehemaliger Ökonomieteil (Stall und Tenn) sind unter einem relativ steilen Satteldach vereint, jedoch durch unterschiedliche Fassadengestaltung von aussen optisch gut voneinander zu unterscheiden. Das Wohnhaus ist seit dem Umbau geschindelt, der Ökonomieteil wurde mit Brettern verschalt. Die Zweiteilung ist auch im Innern der Liegenschaft erlebbar, löst sich aber durch sorgfältige, ineinandergreifende Holzbauarbeiten ein Stück weit auf. Gewohnt wird auf drei Ebenen und auf rund 230 Quadratmetern; aufgeteilt in Eingangsbereich und Garderobe, Wohnküche und Stube, vier Schlafzimmer, Aufenthaltsbereich und ein ausgebautes Dachgeschoss. Niveauunterschiede, etwa in der ehemaligen Trotte, zeugen von unterschiedlichen Bauphasen und einstigen anderen Nutzungen und verleihen dem Haus einen besonderen Charme. Gleiches gilt für die teils massiven Balken, historischen Türen, Sprossenfenster und den zweiteiligen grünen Kachelofen aus dem 18. und 19. Jahrhundert – ein Blickfang und Kontrapunkt in der weissen, modernen Küche. Das Ziel des Umbaus bestand darin, den Charakter des Bohlenständerbaus zu wahren, die historische Konstruktion auch im Innern sichtbar zu lassen, den gesamten Wohnteil instand zu setzen sowie Ökonomieteil und Dachstuhl für eine zeitgemässe Nutzung um- und auszubauen. Kurz: das Haus an die Wünsche und Ansprüche einer jungen, fünfköpfigen Familie anzupassen. Den Dünnenbergers war dies sowohl zeitlich wie finanziell etwas wert. Die Kosten für den Umbau übertrafen die Kaufsumme jedenfalls deutlich – nicht, weil man Luxuslösungen und Exklusivität anstrebte, sondern weil man auf Qualität Wert legte und von den Handwerkern viel Massarbeit zu leisten war. Zuvor bewohnte eine ältere Dame das Haus, die auf jeglichen Komfort verzichtete und die kaum isolierten Zimmer mit einem Kachelofen und kleinen Elektroöfen minimalst beheizte. Historische Fotos zeugen von einer schlichten und sehr bescheidenen Innenausstattung. Ein Aspekt, mit dem sich auch die damalige Denkmalkommission befasste: «Vielzweckhäuser», schrieb sie in einer Stellungnahme, «wurden in der Regel von eher ärmeren Leuten erstellt, die Landwirtschaft oft nur im Nebenerwerb betrieben. Dies dürfte auch bei der ursprünglichen Bauherrschaft und den früheren Bewohnern des Hauses Wald 1 der Fall gewesen sein.»

 

Mit Oliver Guntli holte die Familie einen Architekten ins Boot, der nicht nur viel Erfahrung mit dem Umbau von denkmalgeschützten Häusern mitbringt, sondern auch über eine entsprechende Zusatzqualifikation verfügt. Entsprechend prädestiniert war er, die Bauherrschaft zu beraten, mit der Denkmalpflege zu verhandeln und den Prozess der Unterschutzstellung zu begleiten. Zum Zeitpunkt des Kaufes 2016 war das Haus erst im Inventar der schützenswerten Denkmäler aufgelistet, womit eine «Schutzvermutung» bestand. Die Familie selbst war es, die nach einem Augenschein mit der Denkmalpflege im Frühling 2017 beim Kanton einen Antrag auf Unterschutzstellung einreichte. Dieser wurde nur acht Monate später per Verfügung gutgeheissen. Das Haus, so die Begründung, verfüge über einen sehr hohen wissenschaftlichen, bautypologischen, kulturellen und heimatkundlichen Wert. Ganz abgesehen davon: Die Umnutzung des Ökonomieteils, der Ausbau des Dachstocks und die dadurch erzielte höhere Ausnutzung setzte rechtlich eine Unterschutzstellung voraus. So will es das Gesetz für Bauten, die sich in der Landwirtschaftszone befinden. «Unsere grösste Sorge bestand darin, dass es im Haus zu düster wird», erinnert sich Andrea Dünnenberger und weist auf die zahlreichen Eingriffe, dank denen das Haus nun hell und freundlich wirkt. Im Küchen- und Essbereich wurden auf zwei Seiten neue Fenster eingesetzt. Den Vordachbereich hat man an mehreren Stellen mit Glasziegeln bestückt und der ausgebaute Dachstock profitiert in der Schräge ebenfalls von zusätzlichen Fensterflächen, die den Blick Richtung Himmel und Baumkronen freigeben. Im südlichen Giebelfeld wurde eine ursprüngliche Öffnung grosszügig verglast. Für die optimale Nutzung des Dachstocks zum Arbeiten, Spielen, Verweilen, Nähen, Malen oder sonstigem kreativem Tun waren diese Eingriffe zentral. Zudem mussten die Kehlbaken im Sparrendach – also die waagrechten Dachbalken –, die ursprünglich auf Augenhöhe lagen, nach oben verschoben werden. Sonst wäre der Raum schlicht nicht vernünftig nutzbar gewesen. Eine massive Aufwertung erfuhr auch der Eingangsbereich. Da kamen ein kleines Vordach aus Kupfer, eine fünfstufige Steintreppe und ein passendes Metallgeländer als ganz neue Elemente hinzu. Damit lädt das Haus Bewohner und Gäste zum Eintreten ein und bietet beim Verlassen Schutz vor der Witterung.

 

Der kleine Ivo verabschiedet die Besucherin und begleitet sie zum Ausgang. Er hat jetzt Hunger und freut sich auf das Mittagessen mit seinen beiden älteren Schwestern, die bald von der Schule heimkommen. Ein Thema muss sein grossgewachsener Vater aber noch loswerden: Es geht um den Ersatz bzw. die Verschiebung der Decken nach oben, um in mehreren Räumen mehr Höhe zu generieren. Sebastian Dünnenberger konnte auch hier auf die Kompromissbereitschaft der Denkmalpflege zählen, die die Decken über Erd- und Obergeschoss – da nur noch zu einem kleinen Teil aus der Bauzeit – aus dem Schutzumfang kippte. Jetzt sind sie überall mindestens zwei Meter hoch sind. «Die Bauberaterin der Denkmalpflege ist selbst relativ gross und hatte für mein Anliegen ein offenes Ohr.»

 

Das Denkmal in Kürze

 

Das 1719 erstellte Gebäude wurde im 18. Jahrhundert mehrmals umgebaut und erweitert. Gemäss dendrochronologischer Untersuchung (Jahrringdatierung des Holzes) lassen sich insgesamt vier Bauphasen nachweisen. Im Jahre 1787 erhielt das Haus, nach dem Anbau einer Trotte im Norden, seine heutige Form. Der zweigeschossige Bohlenständerbau erhebt sich über einem gemauerten Sockel und wird von einem weit vorspringenden, abgeknickten Satteldach gedeckt. Diese Art von Vielzweckbauernhaus ist im Kanton Zug nur selten anzutreffen.