PUBLIKATION

Zuger Chriesi Buch

ZUSAMMENARBEIT

Andri Pol (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.12.2017

ES GEHT UM HEIMAT

 

Für die Präsidenten der Bürgergemeinde und der Korporation Zug ist die Förderung der Kirschenkultur ein Dienst am Gemeinwohl. Beide haben sie als Kinder Kirschen geklaut und so den Zorn der Bauern auf sich gezogen.

 

In Paragraph 120 Absatz 4 des Gemeindegesetzes wird die «Förderung der Heimatverbundenheit» explizit als Auftrag der Bürgergemeinde genannt. Können Kirschen auch Heimat stiften?

 

Rainer Hager: Auf jeden Fall! Ich bin mit Kirschen aufgewachsen. Von unserer Wohnung aus, die sich in einem Hochhaus an der Ägeristrasse in Zug befand, schauten wir auf die blühenden Kirschbäume der Bauernfamilien Moos, Landtwing, Iten und Föhn. Das Kirschenklauen auf dem Weg zur Schule war Abenteuer und Ritual zugleich. Brauchtum und Tradition haben für mich auch als Bürgergemeindepräsident einen hohen Stellenwert. Deshalb sind wir daran interessiert, die Kirschentradition in Zug am Leben zu halten. Zusammen mit Kanton, Stadt und Korporation finanzieren wir zum Beispiel die systematische Erschliessung der gesamten Ratsprotokolle. Der Aufwand ist gross, aber lohnt sich. Denn dank dieser Aufarbeitung konnte unter anderem nachgewiesen werden, dass die Kirschenkultur in der Region Zug über 400 Jahre alt ist. In einem Protokoll, datiert von 1627, wird von einem Zwischenfall an einem «kriesymerckht» berichtet, bei dem ein Marktbesucher von einem Hund gebissen worden ist. Solche Schriftstücke sind doch eine wahre Freude. Es wäre schön, wenn sich auch unsere Einbürgerungskandidaten ein wenig für die Kirschentradition interessieren würden.

 

Urban Keiser: Chriesi-Hochstammbäume leisten einen wichtigen Beitrag für ein attraktives Landschaftsbild und bringen einen ökologischen Mehrwert. Der Korporation Zug – sie ist die grösste Landbesitzerin im Kanton Zug – gehört unter anderem das Land auf der Zuger Allmend. Früher standen dort viele Hochstamm-Kirschbäume, die, wie der Name sagt, der Allgemeinheit gehörten. Heute ist das Land zu einem grossen Teil überbaut. Was viele nicht wissen: An der Bergflanke zwischen Zug und Walchwil wachsen bis heute hunderte von Wildkirschbäumen. Sie verfügen über einen hohen Stamm und werden bis 30 Meter hoch. Das Holz der Wildkirschen ist zwar weniger rot als das Holz der Feldkirschen, doch es eignet sich gut für Schreiner- und Drechslerarbeiten. Die Korporation liess darum die Gaststube der Alpwirtschaft Brunegg am Fusse des Zugerbergs mit Wildkirschenholz einkleiden. Auch ich habe als Kind Kirschen geklaut, allerdings nur von jenen Ästen, die über den Hag wuchsen. Ich erinnere mich sogar, dass ein Bauer bei der Kappelle St. Verena während der Kirschernte den Wanderweg absperrte, damit die Passanten ihm nicht zu viele Früchte vom Baum holten. Einmal, als wir erwischt wurden, zielte ein Bauer mit dem Luftgewehr auf uns. Wir hatten einen ziemlichen Schrecken.

 

RAINER HAGER, Jg. 1962, ist von Beruf Anwalt und präsidiert die Bürgergemeinde Zug, welche zur Trägerschaft der IG Zuger Chriesi gehört. An den Bürgerratssitzungen steht traditionsgemäss eine Flasche Kirsch auf dem Tisch. Dabei berücksichtigt der Rat verschiedene Produzenten, um niemanden zu bevorteilen.

 

URBAN KEISER, Jg. 1965, ist Zimmermeister und Präsident der Korporation Zug, die das Projekt «1000 Kirschbäume für Zug» unterstützt und zur Trägerschaft der IG Zuger Chriesi gehört. Die Korporation stellte während sechs Jahren zwei Forstwarte als Rennteam am Chriesisturm, das mehrmals gewann. Sie pflanzt zudem Wildkirschen in ihren Wäldern an.