PUBLIKATION

Zuger Zeitung

ZUSAMMENARBEIT

Matthias Jurt (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

25.9.2021

EINLADUNG ZUM ZWISCHENSTOPP

 

Die Künstlerin Daniela Schönbächler hat in Oberägeri die poetisch-geometrische Brunneninstallation «Residuum» realisiert. Sie korrespondiert hervorragend mit dem neuen Bauwerk von Albi Nussbaumer.

 

Es ist ein Leichtes, am Kunstwerk von Daniela Schönbächler vorbeizuspazieren, es schlichtweg zu ignorieren. Die Installation aus Beton, Stahl und Wasser buhlt nicht um Aufmerksamkeit. Gerade deshalb empfiehlt es sich, bei diesem perfekt auf die neue Wohnsiedlung Erliberg abgestimmten Werk kurz innezuhalten.

 

Diagonal im offenen Hofraum verankert, positioniert in der Verlängerung des markanten Fugenbildes der Zugangswege, umgeben von Wiese, Wald und Bäumen kann und will die Intervention vieles sein: Sitzgelegenheit, Liegeobjekt, Spielelement, Wasserbad oder schlicht ein Ort der Begegnung. In erster Linie aber ist «Residuum» ein bemerkenswerter Beitrag der Disziplin «Kunst am Bau», den die gebürtige Zugerin hier geschaffen hat. Die seit dreissig Jahren international agierende Künstlerin ging als Siegerin aus einem Wettbewerb hervor, den Architekt Albi Nussbaumer und seine drei Schwestern Esther, Pia und Gaby als Bauherrschaft lanciert haben.

 

Konzipiert ist das Werk aus zwei schwebenden Betonelementen und einer in den Boden vertieften Wasserfläche. Der Clou: Bei den Betonteilen handelt es sich nicht um beliebige Stücke, sondern um Elemente, die exakt die gleiche Materialität und Dimension wie die beim Bau verwendeten Fassadenstützen aufweisen – eine Art «Residuen» eben, um Reststücke, wie man sie oftmals liegend in der Umgebung von antiken Tempeln vorfindet. Auf diese Weise schafft die Installation einen direkten Bezug zur ausdrucksvollen Fassade mit dem rhythmisch angeordneten Stützraster. Und trotz streng geometrischer Ausprägung fügt sie sich harmonisch in die organisch geschwungenen Wege des Aussenraumes. Es ist offenkundig, dass sich die Künstlerin nicht nur intensiv mit dem Bauwerk von Albi Nussbaumer, sondern auch mit der Landschaftsgestaltung von Erich Zwahlen beschäftigt hat. Letzterer führt mit der gewählten Begrünung – naturnahe Wiesenflure und grosszügige Vegetationsteppiche – die Qualitäten des vorhandenen Landschaftsraumes weiter.

 

Was der Brunnenanlage eine besonders sympathische Verortung verleiht, ist die Tatsache, dass sich das Wasser im 20 Zentimeter tiefen Stahlbecken aus der nahen Quelle speist, die leicht erhöht im Wald entspringt. Als die Bauarbeiten für die Überbauung starteten, wurde deren Leitung gekappt und erst wieder aktiviert, als Schönbächler ihr Projekt realisierte. Die Integration des Wassers in das Kunstwerk sei eine Vorgabe des Architekten gewesen, erklärt Daniela Schönbächler und macht es sich auf einem der beiden Betonbalken bequem. Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie vom privaten Engagement der Familie Nussbaumer erzählt, die diese von Eleganz und Leichtigkeit geprägte Installation ermöglicht hat und damit ihren ausgeprägten Sinn für Kunst unter Beweis stellt.

 

Tatsächlich ist es eher ungewöhnlich, dass eine private Bauherrschaft – es sei denn, es handle sich um eine Grossbank oder einen besonders altruistischen Investor – aus purer Freude an der Sache ein solches Werk finanziert. Wozu Kunst am Bau? Ist das ein Mehrwert? Bringt dies höhere Rendite? Immobilien, so die vorherrschende Meinung, können im Kanton Zug doch auch ohne künstlerische Zugabe vermietet oder verkauft werden. Aus dieser Haltung heraus entsteht darum «Kunst am Bau» vor allem dann, wenn der Staat als Bauherr auftritt, wenn Spitäler, Schulen, Gerichte, Gefängnisse usw. gebaut werden. Die öffentliche Hand agiert dann als Kulturförderer und nimmt eine Verpflichtung war, die auf gesetzlichen Grundlagen basiert. Namentlich bei staatlichen Neubauten kommt im Kanton Zug das Kulturfördergesetz zum Tragen und werden 1 bis 2 % der Baukosten für Kunst budgetiert. Sie soll Architektur ergänzen, zu deren Wahrnehmung beitragen oder eine sinnliche Dimension im Umfeld eines Gebäudes schaffen.

 

Was die Realisierung bzw. Finanzierung von «Residuum» angeht, will die Familie Nussbaumer einen Beitrag für die kulturell interessierte Öffentlichkeit leisten. Nur dank ihrem Vater, der hier aufgewachsen sei, habe das ehemalige Landwirtschaftsland einer neuen Nutzung zugeführt werden können, betont die Bauherrschaft. «Von diesem Geschenk wollen wir der Mieterschaft und Bevölkerung des Ägeritals etwas zurückgeben», sagt Nussbaumer.

 

Mit dem nun realisierten Werk zeigt sich der Auftraggeber rundum glücklich. Zumal dem optisch zwar schlichten aber technisch komplexen Kunstwerk eine sorgfältige Planung vorausging und die auf Perfektion bedachte Künstlerin für die Umsetzung ihrer Arbeit die richtigen Profis ins Boot holte. Ingenieure, Schlosser und Betonfachleute sorgten dafür, dass die Konstruktion im Boden auf einem festen Fundament fusst und ein Betonteil einwandfrei mit dem Stahlbecken vergossen ist. Ein Lichttechniker traf Vorkehrungen, so dass das Wasser abends illuminiert und die Brunnenanlage in der Dunkelheit diskret wahrnehmbar wird.

 

Noch immer auf Residuum sitzend hält die Künstlerin abschliessend fest: «Ich erwarte nicht, dass die Leute beim Anblick meines Kunstwerks in Ehrfurcht erstarren. Im Gegenteil: mich freut es einfach, wenn es genutzt wird, wenn Nachbarn hier einen Schwatz halten, Kinder im Sommer ihre Füsse ins kühle Nass stecken oder sich Sonnenstrahlen und vorbeiziehende Wolken darin spiegeln.» Als sie sich vom Betonelement erhebt, segelt eine kleine Libelle über das Wasser und landet sachte auf der Oberfläche. Auch dem zierlichen Insekt ist die poetische Brunnenanlage ein Zwischenstopp wert.