PUBLIKATION

Jahresbericht Verein für Arbeitsmarktmassnahmen

ZUSAMMENARBEIT

Daniela Kienzler (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2013

ZINK ZU ZINK, STAHL ZU STAHL

 

Josef Grossrieder hat als Werkstattleiter der Halle 44 in Baar zahlreiche Stellenlose sinnvoll beschäftigt und für ein gutes Arbeitsklima gesorgt. Ende Jahr geht er in Pension.

 

Kurz vor zehn Uhr morgens sind in der grossen Werkstatthalle zwei Dutzend Männer konzentriert bei der Arbeit , demontieren Apparaturen, flicken Fahrräder, zersägen Holz und lackieren es. Es klirrt und dröhnt, scheppert und rumpelt. Josef Grossrieder gibt ein paar Anweisungen und steuert dann auf sein Büro zu, das sich zwar mitten in der Halle findet, aber durch Fensterscheiben akustisch abgeschirmt ist. Eigentlich würde er nun gerne das „Bitte nicht stören“-Schild an seine Tür hängen, um in Ruhe das Administrative zu erledigen. „Aber das nützt sowieso nichts.„ Man sei hier eben kein normaler Betrieb und funktioniere auf seine eigene Weise. Es sieht ganz so aus, als hätte Josef Grossrieder seine Ruhe erst Ende 2013. Dann nämlich geht der langjährige Werkstattchef der Halle 44 in Pension.

 

Dass der 64-Jährige beruflich einmal mit Stellenlosen zu tun haben sollte, war nie sein Plan. Nach der vierjährigen Lehre als Feinmechaniker in der Landis und Gyr blieb er dort angestellt und holte sich in verschiedenen Abteilungen und Funktionen Knowhow. Parallel zur Anstellung besuchte er die Werkmeisterschule in Winterthur und übernahm anschliessend die Verantwortung für eine Abteilung im Bereich Schweisstechnik und Montage. Josef Grossrieder wäre gerne loch länger in der LG geblieben, doch der Strukturwandel wollte es anders. 1993 teilte sein Arbeitgeber ihm mit, er solle sich nach einer neuen Stelle umschauen. Seine Abteilung werde es wegen Produktionsauslagerungen in zwei Jahren nicht mehr geben. Das Angebot des VAM, der damals seine Werkstatt noch an der Hofstrasse betrieb, kam gerade richtig. Per 1. Januar 1995 stieg Grossrieder als Werkstattchef ein.

 

Damals bestand der ihm zugewiesene Sektor lediglich aus einer Velowerkstatt und einer Recyclingabteilung und beschäftigte nur rund 10 Leute. Heute umfasst der Werkstattbetrieb zusätzlich eine Schreinerei und eine Schlosserei und beschäftigt rund 30 Personen. Der Umzug von der Zuger Hofstrasse an die Baarer Altgasse im Jahre 2010 ist Grossrieder als besonders herausfordernde Phase in Erinnerung, aber auch der Aufbau der gesamten Infrastruktur für die Papier-, Karton-, Textil- und Mosaikateliers sowie den hauseigenen Waschsalon. „Hier waren Kreativität und Teamwork gefragt“, erinnert sich Grossrieder. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit liefen viele Projekte gleichzeitig, nahm diese ab, war auch in der Werkstatt weniger los. Grossrieder erzählt vom Umbau eines VBZ-Busses in ein Spielmobil, das in den 90-er Jahren bei der Metalli einen Kinderhütedienst beheimatete. Auch bei der Montage der Tafeln des Industriepfades Lorze stand Grossrieders Truppe im Einsatz.

 

Maximal drei Monate arbeiten die Männer in der Werkstatt. Viele waren vorher auf dem Bau oder in der Industrie beschäftigt, praktisch alle sind unverschuldet stellenlos geworden. Die Arbeitszeiten in der Halle dauern von 8.00 bis 11.30 Uhr und von 12.30 bis 16.00 Uhr, die Leute stempeln sich ein und wieder aus. Jede Person hat ihren Arbeitsplatz und ihren Werkzeugsatz, für den sie verantwortlich ist. Unentschuldigte Absenzen werden vermerkt und haben eine Reduktion des ausbezahlten Arbeitslosengeldes zur Folge. „Nicht jeder ist gleich motiviert und zuverlässig, aber die Sanktionen wirken“, so Grossrieder. „Manche Leute brauchen etwas Zeit, bis sie realisieren, dass sie hier nicht einfach beschäftigt werden, sondern auch profitieren.“ Ergänzend zur Arbeit in der Werkstatt dürfen die Männer nämlich auch an PC- und Sprachkursen teilnehmen oder lernen, wie man Bewerbungen schreibt. Freitags forstet man gemeinsam das Amtsblatt nach Stellen durch, oder man studiert die „Barni“ Post - eine kleine, prall gefüllte Publikation mit Inseraten aus der Region Innerschweiz.

 

Dass Grossrieder selber Erfahrung mit der Stellensuche hat und sich damals als 47-jähriger um einen neuen Job kümmern musste, kommt ihm heute in einem gewissen Sinn zu Gute. „Man ist verunsichert, sorgt sich um die Zukunft“, betont Grossrieder, der im Aargau während 28 Jahren Juniorentrainer vom FC Dietwil war und dort die Kleinen zu Höchstleistungen motivierte. Es fällt ihm einfach, einen guten Draht zu Menschen zu finden, unabhängig davon, welche Nationalität sie haben. Oft sind bis zu zehn verschiedene Nationen in der Werkstatt vertreten, auch Schweizer. Die Stimmung in der Werkstatt ist gut. „Querschläger sind selten“, erzählt Grossrieder. Einzig während des Jugoslawienkrieges sei es gelegentlich zu Spannungen unter Serben und Bosniern gekommen. „Da habe ich interveniert und geschlichtet, oder die Streithähne versetzt.“

 

„Ich hatte viel Freiheit und durfte Verantwortung übernehmen“, fasst er zusammen. Nur unter dem Papierkrieg, räumt er ein, habe er zunehmend gelitten und zeigt auf die vielen Ordner, Mäppchen und Dossiers, die sich in seinem Büro stapeln. Zwischengespräche, Bilanzgespräche, Selbst- und Fremdeinschätzung – dies alles muss heutzutage schriftlich festgehalten sein. Der Werkstattchef aber mag es lieber bodenständig. Noch heute fasziniert es ihn zu sehen, wie alte Staubsauger, Bügeleisen, Computer, Haarföhne, Radios und Fernseher demontiert und seziert werden. Kilo- ja tonnenweise wiederverwertbare Einzelteile resultieren daraus und werden anschliessend fein säuberlich vom Team sortiert. Bronze zu Bronze, Silber zu Silber, Messing zu Messing, Kupfer zu Kupfer, Stahl zu Stahl, Zink zu Zink. Sind die Kisten voll, werden sie dem Altstoffhändler übergeben, der sie weiterverkauft.

 

Josef Grossrieder wird in der Halle 44 noch bis Ende Jahr als Chef der Werkstatt im Einsatz sein und dann den wohlverdienten Ruhestand antreten. Allerdings dürfte dieser schon bald wieder gestört werden. Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern wird demnächst Grossvater.