PUBLIKATION

VAM Jahresbericht

ZUSAMMENARBEIT

Daniela Kienzler (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2013

«DIE ÜBERSTUNDEN NAHMEN KEIN ENDE»

 

Wolfgang Lierke, 52, hat eine unzumutbare Anstellung gekündigt und ist mit Hilfe des RAV Zug zu seinem Recht und einem neuen Job gekommen.

 

Herr Lierke, Sie waren von September 2012 bis Januar 2013 beim RAV angemeldet. Wie ist es dazu gekommen?

 

Im Juni 2009 wurde ich als Architekt bei einem Generalbauunternehmen im Kanton Luzern angestellt. Am Anfang gefiel mir die Arbeit. Ich realisierte Vorentwürfe, machte Baueingaben, führte Gespräche mit Bauherren und Behörden, evaluierte Bauland, fertigte Architekturmodelle und schulte andere Mitarbeiter in der dreidimensionalen Darstellung am Computer. Nach gescheiterten Expansionsplänen des Firmeninhabers wurden die Arbeitsbedingungen immer schlechter. Vielen Mitarbeitern wurde gekündigt, und die verbleibende Belegschaft musste umso mehr Überstunden leisten. Oft bekam man fünf Minuten vor Feierabend noch ein Projekt zugeteilt, welches dann in kürzester Zeit erledigt werden musste. Zwölf-Stunden-Tage waren die Regel, Nacht- und Wochenend-Schichten kamen häufig vor.

 

Haben Sie etwas gegen die unakzeptablen Arbeitsbedingungen unternommen?


Ich habe mich oft mündlich und schriftlich beschwert, jedoch ohne Erfolg. Man teilte mir und meinen Kollegen mit, dass wir die Arbeitsbedingungen mit unseren Kaderverträgen akzeptiert hätten. Alleine im Jahr 2010 hatte ich mit Überstunden sechs zusätzliche Arbeitswochen geleistet. Als ich 2011 diese enorme Belastung selber etwas reduzierte, drohte man mir mit der Kündigung. Gesundheitlich ging es mir immer schlechter. Ich verlor innert kurzer Zeit über acht Kilo an Gewicht und konnte kaum noch schlafen. Da zog meine Frau die Notbremse, und ich nahm Kontakt auf zum RAV in Zug. Dort schilderte ich meine Situation und bat um Rat. Von einer kompetenten Rechtsanwältin erfuhr ich, dass bei nachgewiesenem Mobbing durch die Geschäftsleitung die eigene Kündigung nicht den Wegfall der Unterstützung durch das RAV zur Folge hat. Aufgrund dieser Ausgangslage reichte ich dann meine Kündigung ein.


Wie reagierte Ihr ehemaliger Arbeitgeber darauf?


Er stellte mir ein Arbeitszeugnis aus, welches ich nicht akzeptieren konnte. Wichtige Aufgaben, die ich mit Erfolg bearbeitet hatte, wurden darin nicht erwähnt. Zudem enthielt das Zeugnis Formulierungen, die mir sehr geschadet hätten. Dank der Hilfe des RAV und der Arbeitslosenkasse konnte ich in einem Schlichtungsverfahren vor dem Arbeitsgericht in Luzern ein akzeptables Arbeitszeugnis erstreiten. Auch die enorme Zahl an Überstunden wurde bei diesem Verfahren verhandelt. Der Richter stellte dabei fest, dass mein Arbeitsvertrag fundamental gegen das eidgenössische Recht verstiess und sprach mir eine hohe Kompensation zu, welche schliesslich von meinem ehemaligen Arbeitgeber akzeptiert wurde.

 

Wie gestaltete sich die anschliessende Stellensuche?


Nach meiner Kündigung war ich zuerst für eine Weile krankgeschrieben und habe alles dafür getan, um gesundheitlich wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe aber von Anfang an zahlreiche Bewerbungen geschrieben. Dabei wurde ich vom RAV Zug und der Arbeitslosenkasse fachlich und rechtlich sehr kompetent beraten. Allerdings hatte ich anfangs ein bisschen das Gefühl, dem Schweizer Steuerzahler auf der Tasche zu liegen. Mein Berater beruhigte mich aber und erklärte mir, dass ich aufgrund meiner geleisteten Beiträge einen Anspruch auf Leistungen habe. Meine Bewerbungen streute ich sehr breit, um möglichst bald wieder eine Stelle zu finden. Per Januar 2013 fand ich eine Anstellung in der Abteilung «Wohnbauförderung» beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich.

 

Wie gefällt Ihnen Ihr neuer Job?

 

Sehr gut. Ich habe humane Arbeitszeiten und erhalte einen fairen Lohn. Zudem entspricht die Arbeit genau dem, was ich eigentlich schon immer machen wollte: Mich als Architekt für soziale Wohnbauprojekte engagieren. Ich bin noch in der Probezeit, habe aber ein gutes Gefühl. Wir sind ein kleines Team und verstehen uns alle sehr gut. Die Aufgaben sind vielseitig und spannend. Im Nachhinein bin ich sehr froh darüber, dass ich die Entscheidung getroffen habe, meine letzte Stelle
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