PUBLIKATION

Jahresbericht GVRZ 2009

ZUSAMMENARBEIT

Gabi Vogt (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2010

DER KAPITäN TRITT AB

 

Mit Albin Amgwerd geht ein ebenso gewissenhafter wie weitsichtiger Fachmann in Pension, der während 18 Jahren den Betrieb der Kläranlage Schönau sicherstellte.

 

Die Voraussetzungen hätten nicht besser sein können. Bevor Albin Amgwerd im Jahre 1992 zum GVRZ stiess, waren ihm sowohl der Verband wie die Kläranlage Schönau bestens vertraut. Denn zuvor arbeitete er in der Verkaufsabteilung eines Generalimporteurs von Abwasserpumpen in Cham und belieferte den GVRZ als Kunde mit Geräten. « Ich kannte den Verband und die Leute », erinnert er sich, « und wusste in etwa, was mich erwartete.» Dennoch musste sich Albin Amgwerd gegen Mitbewerber durchsetzen, als er sich um die offene Stelle als Betriebsleiter bewarb. Mit seinen 46 Jahren befand er sich im idealen Alter für einen Karriereschritt. Ihm würde, so die Überlegung, noch genügend Zeit bleiben, um beim GVRZ etwas zu bewegen. Zu den beruflichen Ambitionen gesellte sich eine weitere Komponente, die er im Gespräch gleich offen legt. Selber in Hagendorn wohnhaft, störte er sich wie viele andere Leute an den immer wieder kehrenden schlechten Gerüchen, die von der Kläranlage her drangen. « Ich habe mir gesagt : wenn ich diese unangenehme Begleiterscheinung als Bewohner zu Hause schon erdulden muss, kann ich ja ebensogut beim GVRZ arbeiten.»


Aus Freude zur Natur


Tatsächlich war die Möglichkeit der Gasverwertung zu dieser Zeit technisch noch nicht gegeben, so dass aus der Kläranlage immer wieder Gaswolken entwichen, welche der allseits geschätzten Landluft eine unrühmliche Duftnote verpassten und regelmässig zu Klagen der Bevölkerung Anlass gaben. Albin Amgwerd sah die Chance gekommen, dieses Problem zu lösen helfen. Darüber hinaus brachte er als Naturfreund eine Faszination für den Gewässerschutz mit, und es reizte ihn, mittels unterschiedlichsten Verfahren im Bereich Technik, Elektrik, Mechanik und Biologie einen Beitrag zu leisten, aus schmutzigem, sauberes Wasser zu machen. Als gelernter Maschinenzeichner und versierter Pumpenverkäufer waren ihm zu Anfang seiner Tätigkeit vor allem die Abläufe in der Mechanik, Hydraulik und Elektrik vertraut. Die Kenntnisse bezüglich den biologischen Stufen musste er sich « on the job » aneignen.

 

Der Gewässerschutzprofi vergleicht die Betriebsleitung der Kläranlage mit einem Schiff, dass es zu steuern gilt. « Ich war zwar der Kapitän », meint er bescheiden, « doch die erfolgreiche Führung war nur dank der Leistung des Teams möglich.» Wobei wir zu einem zentralen Punkt in seiner Arbeitsauffassung gelangen. Albin Amgwerd ist ein überzeugter Teamplayer, der es nicht versäumt, bei den erzielten Erfolgen immer auf die verantwortungsvoll und selbständig agierende Mannschaft hinzuweisen, die ihn tagein, tagaus umgab. Das Klima innerhalb des 12-köpfigen Männerteams sei eigentlich immer gut gewesen, bilanziert er. « Jeder hat das Fachgebiet des anderen respektiert, war aber zur Stelle, wenn ein Kollege Unterstützung brauchte.» Operation am offenen Herzen Rund 100 Millionen Franken, so hat er ausgerechnet, hat der GVRZ während seiner Tätigkeit an Investitionen getätigt.

 

Mit dieser Zahl will Albin Amgwerd nicht seine Wichtigkeit betonen, sondern aufzeigen, dass seine Arbeit von ständigen Neu- und Umbauten sowie Renovationen geprägt war. Langeweile kam da keine auf. Die grösste Herausforderung bestand jeweils darin, diese Bauarbeiten so zu planen, dass parallel dazu der Betrieb der Kläranlage und die Bewirtschaftung des Kanalnetzes sichergestellt waren. Auch bei den Wartungsarbeiten – sei es an Gebläsestationen, Steuerzentralen, Belüftungs- oder Nachklärbecken – musste immer garantiert sein, dass sämtliche Verfahrensstufen weiter funktionierten, « wie eine Operation am offenen Herzen », vergleicht er.

 

Mit Abstand am meisten gefordert waren der Betriebsleiter und sein Team bei der Realisierung des sogenannten Endausbaus der Kläranlage Schönau, der 1998 in Betrieb genommen werden konnte. « Dieser brachte eine Kapazitätserhöhung für den Anschluss von 120 000 Einwohnern auf 180 000 », erinnert er sich und erwähnt die Stickstoff- und biologische Phosphor-Elimination, welche die Kläranlage Schönau als eine der ersten Grosskläranlagen in der Schweiz eingeführt hat. Sie stellte einen Meilenstein in der Abwasserreinigung dar.


Viel Glück und Professionalismus


Es ist die Vielfalt der Themen, die Albin Amgwerd als attraktivste Komponente seines Postens umschreibt. Biologie, Phosphatfällung, Schlammentwässerung, Schlammbehandlung – mit sämtlichen, den Gewässerschutz tangierenden Bereichen musste und durfte sich der umsichtig agierende Fachmann intensiv beschäftigen. Nach dem Endausbau hielten ihn die Sanierung der Pumpwerke und Regenüberlaufbecken innerhalb des gesamten Kanalnetzes auf Trab, sowie die Erstellung einer Sandwaschanlage und die Installierung von modernsten Entwässerungsmaschinen
auf dem Areal der Kläranlage.

 

Eine Mischung aus Glück und Professionalismus sorgte dafür, dass es im Laufe seiner Tätigkeit nie zu einem schlimmen Betriebsunfall auf der Kläranlage gekommen ist. Auch von gravierenden Vorfällen im Einzugsgebiet oder im Kanalnetz blieb man verschont. Zu erwähnen sind ein Benzinunfall in Goldau vor drei Jahren und ein Ölunfall in Rotkreuz vor sechs Jahren, die jedoch schnell behoben werden konnten. Beide Male erhielt man noch rechtzeitig eine Mitteilung und konnte die notwendigen Massnahmen ergreifen, so dass es in der Biologie nicht zu schwerwiegenden Störungen kam.


Gegen den Trott


Mit der Einführung des sogenannten Rotationsprinzips hinterliess Albin Amgwerd seine Handschrift auch in den betrieblichen Strukturen des GVRZ. Seine Idee war es, jeden Mitarbeiter in einem einwöchigen Rhythmus auf dem Areal rotieren zu lassen, damit er im Turnus fünf Arbeitsplätze betreuen konnte : die Vorreinigung, die Wasserstrasse, das Labor, die Schlammbehandlung und schliesslich die Schlammentwässerung. Als sechster, externer Posten wurde das Kanalnetz definiert, welches aus Sicherheitsgründen jeweils von mindestens zwei Mann konsultiert werden muss. « Mit der Rotation wollte ich verhindern, dass die Mitarbeiter immer dieselbe Arbeit verrichten müssen und so Gefahr laufen, in einen Trott zu fallen », so die Begründung. Mehr Abwechslung für die Angestellten hat Albin Amgwerd auf diese Weise geboten, mehr Flexibilität umgekehrt von seinen Leuten aber auch eingefordert. Gleichzeitig brachte das Rotationsprinzip mehr Sicherheit : da jeder Mann über jedes Verfahren Bescheid wusste, konnten die Mitarbeiter in kritischen Situationen an verschiedenen Arbeitsplätzen klug agieren.


Wohlwissend, dass die Technologie im Gewässerschutz einer rasanten Entwicklung unterworfen ist, animierte Albin Amgwerd seine Leute zur ständigen Weiterbildung und sorgte dafür, dass alle Mitarbeiter die Kurse des Verbandes Schweizerischer Abwasserfachleute VSA absolvierten. « Alle Klärwärter haben es geschafft, sich auf diesem Weg zum Klärwerkmeister diplomieren zu lassen », berichtet er, und es sieht so aus, als erfülle ihn die Qualifikation seiner Mitarbeiter ein wenig mit Stolz.


Energie für Hobbys


Der hohe Bildungsstand der Fachleute brachte auch Vorteile für die Anlage. Auf der Kläranlage konnten so Reparaturen und Wartungen von den eigenen Leuten ausgeführt, und mussten nicht von einer Lieferfirma in Rechnung gestellt werden. Ein Aspekt, der sich langfristig positiv auf die Kosten auswirkte. Andere Kläranlagen, erklärt Amgwerd, seien so strukturiert, dass sie aus einer Mechanik-Equipe und einem Hilfsarbeiter-Trupp bestünden. Letztere mache die Putzarbeiten, erstere die anspruchsvollere, technische und mechanische Arbeit. « Bei uns », so Amgwerd, « ist jeder vielseitig einsetzbar und macht – in Respektierung seines jeweiligen Fachgebiets – alles.»


Bei uns? Die Wir-Form ist Albin Amgwerd noch intus, auch wenn es zum Zeitpunkt unseres Gesprächs nur noch zwei Monate dauert, bis er offiziell Pensionär ist. Mit Jahrgang 1946 geht Albin Amgwerd ein Jahr vor dem ordentlichen Pensionsalter in Rente und tritt so zeitgleich mit seiner Frau in den beruflichen Ruhestand. « Der Zeitpunkt war immer so geplant », sagt Amgwerd und verweist auf das neue Duo, das jetzt am Ruder ist. Bernd Kobler als neuer Geschäftsführer und Martin Grob als neuer Betriebsleiter sollen « für neuen Drive sorgen », derweil er seine Energie in private Aktivitäten stecken werde : Bergwandern, Skifahren und Sportschiessen. Den passionierten Naturfreund, der in der Jugend Skirennen gefahren ist, zieht es in die Natur.

 

Letzte Frage an den Zurücktretenden, der sich nicht nur sauberes Wasser, sondern auch frische Luft auf die Fahne geschrieben hat. Wie steht es eigentlich heute um Reklamationen wegen übel riechender Gaswolken? « Keine », freut sich Amgwerd und macht ein zufriedenes Gesicht. « Die Luft ist rein.»