PUBLIKATION

100 Jahre Zuger Frauenbund

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

6.6.2013

WER BEZAHLT DAS KLASSENLAGER?

 

Ein Beitrag ans Busabonnement, an einen Weiterbildungskurs oder eine Arztrechnung: Die Mütterhilfe des ZKF gewährt unkomplizierte Hilfe für Menschen in finanzieller Not.

 

Es ist ein Ordner voller Lebensgeschichten, der vor Bea Jossen, 56, und Rosmarie Rütschi, 71, auf dem Tisch liegt.  Die beiden Verantwortlichen der ZKF-Mütterhilfe sind zusammengekommen, um die darin abgehefteten Gesuche zu bearbeiten: Gesuche von Menschen aus dem Kanton Zug, nicht nur von Müttern, sondern auch von Senioren, Jugendlichen, Alleinstehenden oder Verwitweten.

 

- Eine junge Mutter bittet, dass eine Ratenzahlung für einen Bürokurs übernommen wird, den sie regelmässig besucht, um ihre Chancen bei der Stellensuche zu erhöhen.
- Ein Familienvater fragt an, ob die Möglichkeit besteht, dass ein Teil der Kosten zu bezahlt wird, die anfallen, falls sein Sohn ins Sommerlager verreist.
- Eine Sozialhilfebezügerin wäre froh um Kostenbeteiligung für die Spielgruppe ihrer Tochter - eine Ausgabe, die vom Sozialamt nur teilweise  übernommen wird.
- Eine Ehefrau  bittet um eine Beteiligung an einer Mehrfahrtenkarte nach Zürich, damit sie ihren Mann, der dort schwer krank hospitalisiert ist,  besuchen kann.

 

„Wir helfen vor allem dann, wenn die Hilfestellung nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine integrative und soziale Komponente hat“, beschreiben die Frauen das Konzept der Mütterhilfe, die seit 1915 existiert. Dass diese Arbeit viel Einführungsvermögen und Menschenkenntnisse erfordert, versteht sich von selbst. Bea Jossen,  Kauffrau und Religionslehrerin, und Rosmarie Rütschi, Primarlehrerin und Seelsorgehelferin, bringen beides mit. Immer wieder von neuem müssen sie abwägen, wo welcher Betrag angemessen ist und welches Gesuch man nicht berücksichtigen kann. Schliesslich ist man dem ZKF gegenüber Rechenschaft schuldig und will sicher sein, dass jeder Betrag – ob gross oder klein – sinnvoll und nachhaltig eingesetzt wird.  Herkunft, Religion oder Weltanschauung der Gesuchsteller spielen keine Rolle. „Uns beglückt es einfach, wenn wir mit unserem Beitrag einem  Menschen ein Stück Energie und Lebensfreude zurückgeben können.“

 

Finanziert wird die Mütterhilfe in erster Linie durch die katholischen  Pfarreien im Kanton Zug, die jedes Jahr das Muttertagsopfer für die Mütterhilfe aufnehmen. Aber auch wiederkehrende, grosszügige Spenden der Sankt-Nikolaus-Gesellschaft und von Kirchgemeinden sind wichtig, damit der ZKF die Mütterhilfe alimentieren kann. Beiträge bis 1000 Franken bewilligen die beiden Verantwortlichen in Eigenregie, für höhere Ausgaben holen sie das Okay des ZKF-Vorstandes ein. Um sicher zu stellen, dass ein bewilligter Beitrag tatsächlich zweckgebunden verwendet wird, erhalten die Gesuchsteller kein Bargeld. Stattdessen werden entsprechende Rechnungen  direkt durch den ZKF beglichen.  Eine wichtige Funktion kommt zudem den ZKF-Kontaktfrauen aus den Gemeinden  zu. Sie sind es, die mit den lokalen Verhältnissen vertraut sind, Ohren und Augen offen halten  und wissen, wo eine Unterstützung angebracht ist.  Können die Hilfesuchenden kein Deutsch, sind sie  bei der Formulierung der Gesuche behilflich.

 

Hin und wieder gehen beim ZKF allerdings auch unrealistische Gesuche ein. Wenn Vorbehalte da sind, ein ungutes Gefühl herrscht, werden die Gesuchsteller um weitere Angaben zu Einkommensverhältnissen oder Arbeitssituation gebeten. Zudem ist es nicht so, dass automatisch der „gewünschte“ Betrag ausbezahlt wird. Viel häufiger leistet die Mütterhilfe eine Teilzahlung und fordert die Gesuchsteller auf, für den Restbetrag selbst aufzukommen. „Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet das Motto.  Im Gespräch mit den Hilfesuchenden versucht man auch herauszufinden, warum der finanzielle Engpass überhaupt entstanden ist, und gibt Ideen, wie  das Portmonnee künftig entlastet  werden könnte: Kinderkleiderbörse statt H&M, Riccardo statt Möbel Pfister.

 

Umgekehrt kommt es  auch vor, dass die Kontaktfrauen realisieren, dass die Gesuchsteller eigentlich Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diese aber nicht beziehen. Wieso denn das? „Aus Angst, vollständig auf staatliche Hilfe angewiesen und gesellschaftlich abgestempelt zu sein“, lautet in solchen Fällen die erstaunliche Antwort.  Eine alleinerziehende Mutter, die sich von sich aus bei der Sozialhilfe abgemeldet hatte, realisierte im Nachhinein, dass sie finanziell doch nicht durchkam. Denn um ihren Teilzeitjob an einer Tankstelle zu behalten, war sie auf einen Mittagstisch und eine Nachmittagsbetreuung für ihre kleine Tochter angewiesen, was wiederum Kosten verursachte. Die  Mütterhilfe des ZKF sprang ein.

 

Bea Jossen und Rosmarie Rütschi freuen sich, wenn sie nach einer Hilfeleistung von den Gesuchstellern  erfahren, wie es ihnen zwischenzeitlich geht. Denn für die ZKF-Frauen sind die im Ordner abgehefteten Gesuch nicht einfach nur anonyme Fälle, die der administrativen Bearbeitung bedürfen. „Wir interessieren uns für die Menschen und ihr Schicksal.“