PUBLIKATION

Denkmaljournal

ZUSAMMENARBEIT

Regine Giesecke (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

20.3.2024

KLEINOD AM WALDRAND

 

Im Jahr 2013 stellte die Zuger Regierung ein historisches Werkstattgebäude in Edlibach unter Denkmalschutz. Es erinnert an gloriose Zeiten der ehemaligen Wasserheilanstalt Schönbrunn und wird heute von der Stiftung Zuwebe genutzt.

 

Der Weg zu frischem, saisonalem Biogemüse führt kurz vor Menzingen auf der Höhe Edlibach in über einen aparten Kiesweg in die imposante Parkanlage des Lassalle-Hauses. Im hintersten Gebäude einer historischen Häuserzeile stossen gesundheitsbewusste Kunden auf einen kleinen Lebensmittelladen und werden fündig: Kopf- und Eichblattsalat, Gurke, Fenchel, Krautstil, Kohlrabi, Karotten, Schnittlauch und Salbei stehen in grünen Kisten verpackt für die Kundschaft zum Abholen bereit. Der Gemüseladen hat es in sich: Er befindet sich in einem ehemaligen Werkstattgebäude, das als Baudenkmal von regionaler Bedeutung unter kantonalem Schutz steht.

 

Besagtes Gebäude ist ein Zeitzeuge, der an die gloriosen Zeiten der «Wasserheilanstalt Bad Schönbrunn» erinnert. An die Epoche nach 1860, als hier Kurgäste aus ganz Europa anreisten, um vom Wasser aus den nahen Quellen als Heilmittel zu profitieren. Die gesundheitsbewusste Klientel betrieb Heilgymnastik, genoss Hydro- und Elektrotherapie, spielte Tennis und Boccia, gönnte sich Abreibungen, Umschläge und Massagen und liess sich in wohltuenden Salz-, Schwefel- und Dampfbädern verwöhnen. Der Dampf für diese Bäder – und hier schliesst sich der Kreis – wurde exakt in jenem Häuschen produziert, wo heute das frische Gemüse verkauft wird. Davon zeugt ein alter Kupferkessel, der sich einst dort befand. Der Gemüseladen, der nun dort eingerichtet ist, wird von der Stiftung Zuwebe betrieben, die auf diese Weise Menschen mit Beeinträchtigung eine sinnvolle Beschäftigung bietet. Das 20-köpfige Gartenteam bewirtschaftet im Lassalle-Haus rund 11 000 Quadratmeter Fläche.

 

Ebenso wie die geschmackvolle stattliche Villa, die sich parallel zum Werkstattgebäude befindet, stammt auch Letzteres aus dem späten 19. Jahrhundert. Es ist Teil einer lang gestreckten, dreiteiligen Häuserzeile. Charakteristisch für die äussere Erscheinung sind die vertikale Bretterverschalung, Teile eines Ziegelmauerwerks und für das Gebäude verhältnismässig grosse Sprossenfenster mit grünen Klappläden. Doch die Jahrzehnte setzten dem Häuschen arg zu, und dessen unmittelbare Nähe zum Wald und die Witterung hinterliessen Schäden. Das Zinkblechdach war verrostet, undicht und mit Moos bewachsen, die Gipsdecke marode, der Riemenboden verfault und einsturzgefährdet. Von der Fassade lösten sich Verputz und Farbe, und die Fugen des Natursteinsockels bröckelten. Fenster und Türen befanden sich teilweise in so schlechtem Zustand, dass sie sich kaum mehr öffnen liessen. Eine vernünftige Nutzung war nicht mehr möglich.

 

Viel Arbeit also für Bauleiter Ruedi Hotz, Geschäftsführer und Inhaber der Hotz AG, welche die Sanierung 2022 in Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie realisierte und dabei auf das Fachwissen von zahlreichen Handwerksbetrieben zählen konnte. Diese unterzogen die Baute einer denkmalgerechten Dach-, Decken-, Boden- und Fassadensanierung, organisierten im Erdgeschoss den neuen Bioladen und im ersten Stock zweckmässige Garderoben für das Gartenteam. Nachträglich eingebaute Zwischenteile, die das Werkstattgebäude mit dem Nachbarhaus verbanden, wurden eliminiert, sodass sich das Denkmal nun wieder in seiner ursprünglichen Form präsentiert und unabhängig funktioniert. Die marode, nicht mehr begehbare Aussentreppe wurde mit neuen Holztritten ausgestattet und mit einem ebenso praktischen wie geschmackvollen Gusseisengeländer ergänzt. Fussgänger können sich nun wieder risikolos zwischen der unteren Ebene (vor dem Haus) und der oberen Ebene (hinter dem Haus) bewegen.

 

Eine wichtige Expertise bei der Sanierung lieferte die Firma Fontana & Fontana, die auf die Restaurierung historischer Bauten spezialisiert ist. Sie suchte nach Spuren der ursprünglichen Farbigkeit des Gebäudes und kam in einer restauratorischen Untersuchung zum Schluss, dass diese je nach Bauteil «rötliches Beige», «grünliches Grau», «Graubeige», «Betongrau» und «Blassbraun» umfasste. Dieses Farbkleid erhielt das Gebäude nun zurück, und es steht ihm bestens! Zur Anwendung kamen für den Verputz Mineralfarben, also Anstrichmittel mit mineralischen Bindemitteln. Für die Holzoberflächen nutzte man Leinölfarben. Sie werden im Handwerk zur Konservierung und farblichen Gestaltung von Holz und Eisen und in der Kunst für die Leinwand- und Tafelmalerei verwendet.

 

Aufschlussreich ist ein Blick in die Akten dieser Sanierung. Sie zeigen, dass die im Jahr 2012 von der Eigentümerschaft beantragte Unterschutzstellung des Gebäudes nicht einhellig befürwortet wurde. Während die Denkmalpflege und die damals noch existierende Denkmalkommission das Vorhaben von Anfang an unterstützten, sprach sich der damalige Menzinger Gemeinderat dagegen aus. Am Erhalt des Gebäudes, so teilte die Standortgemeinde in einem Schreiben mit, bestehe kein «sehr hohes öffentliches Interesse». Zudem wolle man wohl mit der Unterschutzstellung lediglich eine sonst nicht bewilligungsfähige Umnutzung realisieren, zumal sich das Gebäude ausserhalb der Bauzone befinde. Die Regierung blieb bekanntlich bei ihrem Entscheid und erklärte das Gebäude per Verfügung zum Denkmal. Zusammen mit der ebenfalls geschützten, gleich gegenüberliegenden Villa bilde das Werkstattgebäude «ein historisch sehr wertvolles Ensemble», so der Standpunkt der Regierung. Das Objekt habe auch wegen seines Bezugs zur Zuger Bäderkultur einen sehr hohen heimatkundlichen Wert.


Der aktuelle Menzinger Bauvorstand Christian Ehrbar betont, dass es sich damals beim Werkstattgebäude um eine Einschätzung handelte, die sich konkret auf das Objekt bezog. Dies bedeute aber nicht, dass man grundsätzlich gegen den Erhalt historischer Gebäude sei. Im Gegenteil: «Wir befürworten Denkmalschutz, sind für massvolle Lösungen und Kompromisse, die es der Eigentümerschaft erlauben, ihre Liegenschaften sinnvoll weiterzunutzen.»

 

Involvierte Firmen:

Hotz AG, Zug (Projekt- und Bauleitung)
Schwerzmann Bau GmbH, Zug (Baumeisterarbeiten, Instandstellung Mauerwerk)
A. Röllin Dächer und Fassaden AG, Menzingen (Bedachung in Blech)
Zürcher Holzbau AG, Finstersee (Fassade in Holz, Zimmermannsarbeiten)
Oliver’s Schreinerei AG, Menzingen (Fenster und Türen)
Fontana & Fontana AG, Rapperswil-Jona (Farbstudien, äussere Malerarbeiten)
Knöchel + Pungitore AG, Luzern (Gipserarbeiten, Instandstellungen)

Involvierte Amt für Denkmalpflege und Archäologie:
Nathalie Wey (Baubegleitung)