PUBLIKATION

Das Magazin

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

10.10.2014

SIND LEHRPERSONEN MENSCHEN?

 

Anmerkungen zur Bildungssprache

 

Dass sich die Feminisierung der Sprache in eine Sackgasse manövriert hat, ist nicht erst klar, seit Patientinnen und Patienten auf Medikamentenzetteln darauf hingewiesen werden, zu Risiken und Nebenwirkungen entweder den Arzt oder die Ärztin oder den Apotheker oder die Apothekerin zu fragen. Augenfällig ist das Bedürfnis nach gendergerechter Sprache auch im Bildungswesen, wo eine Art geschlechtsneutralisierender Sprachstil Einzug gehalten hat, mit dem Ziel, sich ja nicht dem Vorwurf der Einseitigkeit oder gar Diskriminierung auszusetzen.


An vorderster Front in Stellung gebracht haben sich Lehrpersonen. Lehrpersonen, die zu Elternabenden einladen, Lehrpersonen, die Schulreisen organisieren, Lehrpersonen, die Weiterbildungskurse besuchen, Lehrpersonen, die demonstrieren, mehr Lohn wollen, Entlastung fordern. Personen, Personen, überall Personen. Nur von Menschen keine Spur. So soll es inzwischen Schüler (und Schülerinnen) geben, die statt über ihren Lehrer (und ihre Lehrerin) über ihre Lehrperson herziehen: „Meine Lehrperson ist total pingelig!“ heisst es oder „Meine Lehrperson heisst Frau Meier“. Und man fragt sich, ob es wirklich als Errungenschaft gelten kann, wenn sogar 1.Klässler (und 1.Klässlerinnen) mit Wörtern hantieren, die ihnen eigentlich quer im Munde liegen und so gar nicht einer spontanen, kindlichen Ausdrucksweise entsprechen. Muss man (und frau) davon ausgehen, dass die gleichen Kinder, wenn sie dereinst nach ihrem Berufswunsch gefragt werden, sagen, dass sie später einmal „Lehrperson“ werden möchten? Dann ist auch der Weg zum Lehrpersonenzimmer und zur Lehrpersonentoilette nicht mehr weit.


Dabei war alles nur gut gemeint! Die Lehrperson entstand nämlich als Folge der von Sprachpolizisten (und –polizistinnen) verordneten und durch Sprachsoldaten (und –soldatinnen) konsequent ausgeführten Nennung der „Lehrerinnen und Lehrer“, die allmählich zur Zumutung wurden, weil sie Zeitungsartikel, Gesetzestexte und Verwaltungsberichte genauso wie Ansprachen und Festreden künstlich in die Länge zogen. Insgeheim war eigentlich jedem (und jeder) klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Und irgendwann, nach dem hundertsten „Lehrerinnen und Lehrer“ war es selbst dem sprachlich korrektesten Bildungspolitiker zu blöd. Entsprechend erleichtert muss er sich gefühlt haben, beim Griff im die sprachliche Trickkiste auf die Lehrperson zu stossen, die in wunderbarer Weise sowohl männliche wie weibliche Vertreter des Berufsstandes berücksichtigte. Über das Faktum, dass in der realen Welt kaum Männer im Primarschulzimmer stehen, wird da grosszügig hinweggesehen. Hauptsache, der Mann ist „mitgemeint“.


Nur schade, dass das Wort Lehrperson so fad und hohl, so teilnahmslos und distanziert klingt und somit sprachlich sämtliche Charaktereigenschaften transportiert, die wir uns von jenen Menschen, die sich tagtäglich unserer Kinder annehmen, eigentlich nicht wünschen. Eine Lehrerin kann engagiert und kreativ sein, ein Lehrer streng aber fair. Doch eine Lehrperson? Sie ist und bleibt eine Kreatur sprachlicher Hilflosigkeit, eine Gestalt im künstlichen Koma, ein dem Zeitgeist geschuldetes Unding, das schleunigst entsorgt gehört. Und zwar sofort! Bevor auch noch die Schüler (und Schülerinnen) aussterben und zu Lernpersonen werden.