PUBLIKATION

Schweizer Familie
 

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

11.3.2008

WIR UND UNSER GEWISSEN

 

Amt für Umweltschutz

 

Die Frage stellt sich jedes Mal, wenn ich meine Freunde in Paris besuche: Zug oder Flugzeug? Bei Ersterem kann ich ungehindert meine Shampooflasche mitführen und die Beine hochlagern. Bei Zweitem bin ich drei Stunden eher am Ziel und erhalte einen Gratissnack. Jedoch: Flugverkehr verursacht bekanntlich CO2-Emissionen, und das schadet der Umwelt.

 

Egal. Seit geraumer Zeit können Vielflieger die Aktion myclimate nutzen, indem sie, zusätzlich zum Flug, ein so genanntes Kompensationsticket kaufen und damit direkt ein Projekt zur Reduktion von Treibhausgasen unterstützen: Windfarmen in Madagaskar, Solarenergie in Eritrea, Biostrom in Indien, Wasserkraft in Indonesien. Unter www.myclimate.org las ich mehr über die tollen Projekte und buchte - wild  entschlossen,einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten – einen Flug nach Paris aller-retour. Parallel dazu errechnete das System  eine Distanz von 955 Kilometer Luftlinie und kam auf eine durchschnittliche CO2-Emissionen von 0, 261 Tonnen pro Person. Der Kompensationsbeitrag für diese Umweltverpestung sollte mit Fr.10.50 abgegolten werden.

 

So wenig? dachte ich. Damit kommen die mit der Solarenergieanlage in Eritrea aber nicht weit. Ich wollte mehr tun für die Umwelt und buchte Businessclass, in der Annahme, durch den erhöhten Platzbedarf in der Hierarchie der Umweltsünder aufzusteigen und proportional mehr für den Kohlendioxidausstoss bluten beziehungsweise blechen zu müssen. Doch auch bei dieser Variante fiel der Beitrag mit 15 Franken kläglich  aus. Mit Firstclass wäre mein Unterstützungsbeitrag– immerhin - bei 25 Franken gelegen. Doch dafür war mir dann das Flugticket zum Preis von 1658 Franken definitiv zu teuer.

 

Schliesslich wollte ich mit der Sache nichts mehr tun haben und war schon dabei, mich auszuloggen. Da entdeckte ich auf der Website neben dem Flugverkehr unverhofft die Kategorie „Autoverkehr“ und wusste: Jetzt hat meine Stunde geschlagen. Fortan chauffiere ich meine Kinder werktäglich mit dem Auto in die 300 Meter entfernte Schule im Wissen, dass die Distanz jährlich rund 144 Kilometer ergibt, die sich innert sechs Primarschuljahren auf über 860 Kilometer summiert. Als meine Nachbarin mich eines Morgens anhielt und fragte «Was soll der Blödsinn eigentlich?», kurbelte ich die Scheibe runter und erklärte: «Wir unterstützen ein Solartreibhaus im Himalaya.»